SQ 8 32. Das empiristische Weltbild.
Erscheint hiernach die gesamte Welt in Übereinstimmung
mit der Anschauung Heraklits als ein Fluß der Erschei-
nungen, innerhalb dessen der gesetzmäßige Zusammen-
hang sich als das einzige Bleibende bewährt, so erkennen wir
zugleich eben diese Gesetzmäßigkeit als eine durch unser
Denken, durch unsere Begriffsbildungen bedingte. Nur durch
diese unsere Begriffe wird. die Notwendigkeit des Zusammen-
hanges von Bedingung und Bedingtem in den Ablauf der KEr-
scheinungen hineingetragen. Die allgemeinsten Formen, welche
dieses Begreifen der Erscheinungen nach Gesetzen er-
möglichen — der Begriff des beharrlichen Seins in der räum-
lichen Welt wie in unserem Vorstellungsablauf, der objectiven
räumlichen und zeitlichen Ordnung und des Causalzusammen-
hanges der Änderungen — müssen sich aus eben diesem
Grunde jederzeit auf unsere Erfahrungen anwenden lassen,
d.h, es kann im Laufe unserer Erfahrungen sich niemals etwas
ereignen, was diesen Formen widerspräche.
Indem wir uns einerseits über den Ursprung, andererseits
über die Wirksamkeit des beschriebenen begrifflichen Mechanis-
mus in den frühesten Stadien unserer Entwicklung klar werden,
verstehen wir die Notwendigkeit des historischen Entwick-
lungsganges der philosophischen Bestrebungen und die
Entstehung jener Probleme, durch welche die Philosophie auf
endlose Irrwege geführt worden ist. Wir können den Proceß
verfolgen, durch welchen das natürliche Weltbild zu Stande
kommen mußte und durch welchen in diesem Weltbilde das
Problem der Einwirkung der objectiven Welt auf das Bewußt-
sein sowie die Frage nach der Erkenntnis dieser objectiven
Welt hervortreten mußte; aber wir erkennen zugleich die rein
empiristische Lösung dieser Probleme — eine Lösung, welche
das natürliche Weltbild und dessen Begriffsbildungen nicht auf-
hebt, sondern. dieselben nur endgültig von ihren Unklarheiten
befreit. Wir sehen, daß der Begriff des Objectes nur durch
den gesetzmäßigen Zusammenhang der Erscheinungen bestimmt
ist und daß demgemäß der Zusammenhang zwischen diesen
Erscheinungen. und dem Objecte selbst — so insbesondere auch
das räumliche Dasein der „in unserem Bewußtsein“ wahrgenom-
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