Causalität und Freiheit. 341
eine positiv unendlich gegebene Größe denken können, so
können wir auch die Gesamtheit der Erscheinungen nicht als
eine von vornherein durchgängig causal bedingte be-
trachten, weil auch dieses Urteil ein positiv. Unendliches —
eine unendliche Reihe einander übergeordneter Bedingungen —
als vollendet gegeben voraussetzen würde. Der empirische
Tatbestand ist, daß auch für unsere Causalerklärung, für das
Suchen nach Ursachen jeder einzelnen Erscheinung nirgends
eine Grenze in unseren Begriffsbildungen gegeben ist: nicht
eine vollendete unendliche Kette von Ursachen, die den gegen-
wärtigen Bestand der Welt oder irgend eines Teiles der Welt
bedingte, dürfen wir als tatsächlich gegeben voraussetzen,
sondern nur der Fortschritt von der gegebenen Erscheinung
als dem Bedingten zu ihren Bedingungen ist uns — im Raume
wie in der Zeit ohne Grenze — durch unsere Begriffsbildungen
aufgegeben. Der. Causalzusammenhang besteht nicht vor
unserer Erfahrung, sondern kommt erst durch unser Denken
in die Erscheinungen: da die Forderung der Causalerklärung,
wie unsere Analyse uns gezeigt hat, nur ein Regulativ für die
Anwendung unserer Erfahrungsbegriffe ist, so kann die causale
Bedingtheit nirgends als eine von vornherein in den Erschei-
nungen gegebene, sondern nur als eine überall unabweisbare
Aufgabe für unser Begreifen der Erscheinungen in
Betracht kommen. Wie all unsere Erkenntnis, so hat auch
die Causalerklärung ihre Grenze genau an dem Punkte, bis zu
welchem die Möglichkeit unserer Erfahrung reicht, da Causal-
erklärung ja nichts ist als eine Form zur begrifflichen Zu-
sammenfassung unserer Erfahrungen. Insofern wir freilich in
dem Begriff der Welt bereits die Ordnung der Erscheinungen
vermittelst unserer Erfahrungsbegriffe denken, kann die Welt
ohne Causalzusammenhang nicht gedacht werden; dieser Be-
griff der Welt aber ist durchaus nicht mit den Erscheinungen
als solchen von vornherein gegeben.
Mit dem soeben gewonnenen Ergebnisse ist zugleich das
letzte der Vermittlungsprobleme gelöst, welches sich auf
die Voraussetzung des durchgängigen Causalzusammenhanges
als eines von vornherein gegebenen gründete. Vor unserem
Begreifen der Erscheinungen sind diese nicht als causal be-