Full text: Einleitung in die Philosophie

Metaphysische Ideen. 347 
bloßen Teil, der jener Forderung gemäß den Gedanken eines 
zeitlich unbegrenzten Ganzen und die Frage mach diesem 
NS Ganzen bedingt. 
= Zweitens aber erscheint auch unser Bewußtseinsganzes ver- 
T möge seiner qualitativen Bestimmtheit als ein verein- 
+ zeltes, d. h. abermals als Teil im Gegensatz zu der Gesamt- 
ib heit der unbegrenzten Möglichkeiten anders bestimmter Zu- 
n stände und Entwicklungen, und gibt sonach gleichfalls im 
Is Sinne jener Forderung zum Gedanken an ein Ganzes und zur 
Frage nach diesem Ganzen Veranlassung. 
N In Übereinstimmung mit dem Herkommen wollen wir diese 
n Fragen als Fragen nach den „metaphysischen Ideen“ be- 
Fr zeichnen. Die einzige Form, in welcher -— nach Ausschluß 
des Naturalismus — eine Antwort auf diese Fragen gedacht 
werden kann, ist diejenige eines umfassenderen Bewußt- 
S seinsganzen, weil jede andere Begriffsbildung, als den durch 
m das Bewußtsein bedingten Kategorien entsprungen, nur auf Teile 
und niemals auf das Ganze Anwendung finden kann. Demgemäß 
nl fordert die erste jener Fragen die „Idee“ einer zeitlich unbe- 
n grenzten Entwicklung der Persönlichkeit und somit eines Be- 
I wußtseinslebens vor dem Beginne und nach der Zerstörung 
; unseres körperlichen Daseins. Die zweite aber fordert die „Idee“ 
| -— nicht etwa bloß einer unbegrenzten Mehrheit anderer uns 
a analoger, aber in verschiedener Weise entwickelter Persönlich- 
% keiten, sondern — eines größeren Bewußtseinsganzen, als dessen 
bloßer Teil unser und jeder andere individuelle Bewußtseins- 
; verlauf zu betrachten wäre. Die erste Forderung also schafft 
n in unserer Phantasie ein zweites Leben jenseits dieser körper- 
r lichen Entwicklung; die zweite aber schafft ebenso zu unserem 
Ich ein Du, das von uns weiß und zu dem wir reden und als 
dessen Teil wir uns fühlen.!) In der Phantasie: denn in der 
1) Wie weit durch die hier berührten Tatsachen unseres Denkens 
die Überzeugung vom Dasein fremden Bewußtseinslebens 
über die früher bezeichneten Analogieschlüsse hinaus eine Stütze oder 
vielleicht ihre ursprüngliche Begründung findet, goll hier nicht unter- 
- sucht werden. Ebenso will ich die naheliegende Anwendung der Aus- 
3 führungen des Textes auf eine Reihe von Vorgängen aus unserem Ge- 
fühlsleben dem Leser überlassen.
	        
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