Full text: Einleitung in die Philosophie

350 & 83. Der Wertbegriff und die praktischen Normen. 
haben. Das Gemälde bleibt schön, auch während. wir es nicht 
betrachten, der Wein ist edel, auch während er nicht von uns 
gekostet wird. 
Die Qualitäten, welche wır den Dingen vermöge ihrer er- 
freulichen Wirkungen auf unseren Gefühlszustand beilegen, 
pflegen wir zusammenfassend als wertvolle Qualitäten, die 
entgegengesetzten als minderwertige zu bezeichnen. Wir 
beurteilen den Wert eines Dinges eben danach, inwieweit wir 
es als Bedingung erfreulicher Erlebnisse kennen oder zu kennen 
meinen. 
Der Mechanismus, welcher dieser Begriffsbildung zu Grunde 
liegt, bedarf nach den früheren Betrachtungen hier keiner ge- 
sonderten Analyse mehr: Daß wir ım Laufe unserer Entwick- 
lung dazu gelangen, Begriffe dieser Art zu bilden und anzu- 
wenden, folgt aus eben den Tatsachen, welche wir früher 
allgemein als Grundlagen für die Entwicklung von Begriffen 
der zweiten Kategorie erkannt haben. Der Begriff des Wertes 
faßt ın derselben Weise unsere Krfahrungen über die von 
irgend einem Gegenstande oder Vorgange herrührenden Gefühls- 
wirkungen zusammen, wie durch andere Begriffe der zweiten 
Kategorie andere Erfahrungen zusammenfassend bezeichnet 
werden. Wie das Ding zu seiner Erscheinung, so verhält 
sich der Begriff seines Wertes zu dem einzelnen durch das 
Ding hervorgerufenen Gefühle der Befriedigung — der 
Steigerung von Lust oder der Verringerung von Unlust. 
Daß der Begriff des Wertes sich allgemein nur auf unsere 
Gefühlserfahrungen — im weitesten Sinne des Wortes — 
gründen kann, folgt mittelbar auch aus den Ergebnissen unserer 
früheren theoretischen Untersuchungen. Diese haben uns ge- 
zeigt, daß nicht nur die Begriffe, welche sich unmittelbar auf 
Psychisches beziehen, sondern auch jene, welche ein außer- 
psychisches Dasein betreffen, ihren Inhalt und ihre Bedeutung 
einzig aus Erlebnissen des erkennenden Subjectes ge- 
winnen können. Auch der Begriff des Wertes kann folglich 
nur in den Erlebnissen des erkennenden Subjeetes, nicht aber 
in irgend einem transscendenten Dasein seine Wurzel haben. 
Welche Erlebnisse es aber sind, die diesem Begriff zu Grunde 
liegen und ihm seine Bedeutung geben, zeigt uns die Tat-
	        
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