Wert und’ Werturteil. 255
voll würde beurteilt werden; die zweite sagt zus, daß das
betreffende Product von dem künstlerisch Erfahrenen nicht
als wertvoll. beurteilt werden würde, daß also das von dem
Besitzer gefällte Werturteil sich auf andere als auf die für das
künstlerisch gebildete Auge wertvollen Qualitäten stützt. Wenn,
wie im vorletzten Falle, ein Gegenstand Wert besitzt für die
durch normale Entwicklung zu erreichende Beschaffenheit
unserer Persönlichkeit, so sprechen wir davon, daß der Gegen-
stand trotz unserer etwaigen Unfähigkeit zur Beurteilung seines
Wertes tatsächlichen Wert für die Menschheit besitze, -
Eine andere für die ethische Theorie bedeutsame Unter-
scheidung ist diejenige zwischen unserer einmal gewonnenen
Erkenntnis: eines Wertes und unserem späteren Denken an
diesen Wert. Wie wir von dem Dasein eines Gegenstandes
Kenntnis haben können und uns doch keineswegs in jedem
späteren Augenblicke dieser Kenntnis erinnern müssen, so kann
es geschehen, daß wir im Besitze aller Erfahrungen sind,
welche uns zur Bejahung eines bestimmten Werturteils führen
müßten, sobald unsere Aufmerksamkeit auf diese Werifrage
gelenkt wird; daß wir aber dennoch dieses Urteil nicht fällen
und uns nicht entsprechend verhalten, weil unsere Aufmerk-
samkeit von den betreffenden Tatbeständen abgelenkt ist. Wir
sagen. in diesem Falle, daß ein uns tatsächlich bekannter Wert
nicht von uns beachtet oder berücksichtigt wird.
Auf solchem Nichtbeachten der Werte, von deren Dasein
wir. auf Grund unserer Erfahrungen tatsächliche Kenntnis be-
sitzen, beruht die Möglichkeit eines praktischen Verhaltens,
welches mit unseren Werterfahrungen im Widerspruche
steht. Indem irgend ein vorgestelltes Ziel uns als erstrebens-
wert erscheint, kann dasselbe unsere Aufmerksamkeit ganz oder
teilweise von der Beurteilung des Wertes derjenigen ander-
weitigen Tatbestände ablenken, welche. zur Erreichung jenes
Zieles vorausgesetzt sind oder mit der Erreichung desselben
geschaffen werden. Wir richten alsdann unser Verhalten nur
eben nach dem Werte, welchen wir dem vorgestellten Ziele
beilegen; während unsere Erfahrungen uns hinsichtlich des zu
gewärtigenden Gesamterfolges — der Erreichung des Zieles
einschließlich der dazu erforderlichen und der weiter daraus
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