Full text: Einleitung in die Philosophie

356 8 33. Der Wertbegriff und die praktischen Normen. 
folgenden Tatbestände — eventuell zu einem Werturteil 
führen würden, das ein entgegengesetztes Verhalten nach sich 
ziehen müßte. 
Die Überlegung, deren völliges oder teilweises Unterbleiben 
in diesem Falle unser Verhalten zu einem minderwertigen 
macht, nennen wir die Willensüberlegung; das Schwanken, 
welches ev. durch die dabei hervortretenden widerstreitenden 
Werte bedingt wird, pflegt man als das Spiel der Motive 
zu bezeichnen. Wir können durch das letztere entweder von 
unserem ursprünglichen Ziele abgelenkt oder aber endgültig 
in unserem ersten Streben bestärkt werden. Das schließlich 
gefällte Werturteil, welches für unser Verhalten den Ausschlag 
gibt, heißt der Willensentscheid. Im obigen Falle wird 
der Willensentscheid ein minderwertiger dadurch, daß die 
Überlegung unvollständig blieb, daß also der Willensentscheid 
nicht auf der vollständigen Berücksichtigung der uns zu Ge- 
bote stehenden Werterfahrungen beruhte. In anderen Fällen 
kann unser. Verhalten dadurch. minderwertig werden, daß unser 
Handeln dem Willensentscheide vorauseilt, indem eine der 
Strebungen, die während des Spiels der Motive auftreten, uns 
zum Handeln führt, noch ehe unsere Überlegung in einem 
endgültigen Werturteil ihren Abschluß gefunden hat. 
Normen des Verhaltens. Das Sittengesetz. 
Da die Bestimmung unseres Strebens durch höhere Werte 
ihrerseits als die wertvollere gegenüber jeder Bestimmung 
durch minder wertvolle Ziele charakterisiert ist, so ist die 
erstere Bestimmung stets diejenige, nach welcher wir unser 
Verhalten richten sollen. Der Begriff des Sollens in der 
ethischen Bedeutung des Wortes, der „ethischen Verpflichtung“ 
hat hier seine Wurzel: das Urteil „ich soll dies tun“ ist nur 
ein anderer Ausdruck für das Urteil „es ist nach meiner. Über- 
zeugung wertvoller dies zu tun als etwas anderes.“ Jede all- 
gemeine Beurteilung eines Rangunterschiedes höherer und ge- 
ringerer Werte ist daher zugleich eine normative Bestimmung 
für unser praktisches Verhalten, d. h. für unser Streben und 
Handeln. 
Daß diese normativen Bestimmungen nur dann unser
	        
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