Full text: Einleitung in die Philosophie

Kants „kategorischer Imperativ“. 361 
des Sittengesetzes jedoch erst dann, wenn das Fundament aus- 
drücklich beachtet wird, auf welchem sie ruht: das Fundament 
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nämlich, welches in unseren erfahrungsmäßig gewonnenen 
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Wertbegriffen besteht. Denn nur soweit unsere Erfahrung 
ns solche Wertbegriffe geliefert hat, können wir im gegebenen 
Falle darüber urteilen, ob eine Maxime zur allgemeinen Ge- 
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etzgebung tauglich sei. Neue Erfahrungen können uns zu 
neuen Werturteilen leiten, die uns vielleicht zeigen, daß eine 
früher aufgestellte Maxime den Wert nicht besaß, den wir 
ihr vermöge unserer damaligen Erfahrungen zuschrieben, und 
daß sie demgemäß zur allgemeinen Gesetzgebung sich nicht 
als tauglich erweist. Wir müssen daher die Kantsche Forme 
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durch einen entsprechenden Zusatz ergänzen, durch welche 
sie die praktische Anwendbarkeit erhält, die jener Formulie- 
ung des „kategorischen Imperativs“ mangelt, indem wir das 
Sittengesetz etwa in die Form der Forderung kleiden: „handl 
0, daß du nach dem Stande deiner bisherigen Erfahrunge 
die Maxime deines Wollens als Princip einer allgemeine 
Gesetzgebung anerkennen würdest“; oder „handle so, da 
dein Ziel nach dem Stande deiner Erfahrungen als das positi 
wertvollste unter allen möglichen Zielen erscheint“. Die An 
wendung jenes Kantschen Satzes würde absolute Voll- 
ständigkeit unserer Erfahrung voraussetzen; die. hie 
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formulierte empiristische Forderung hält sich in den Gren- 
zen des tatsächlich Gegebenen *). 
— 1) Der im Texte hervortretende Gegensatz legt die Frage nahe, 0 
denn nicht gegenüber jeder auf Grund unserer bisherigen Werterfahrungen 
efällten Entscheidung eine andere, von einem höheren, umfassendere 
Standpunkte gewonnene Entscheidung als die tatsächlich wertvoller 
and schließlich, im Gegensatz zu all jenen nur beschränkter Einsicht 
ntsprungenen und insofern. immer nur relativen Wertungen, irgen 
eine bestimmte Entscheidung als die absolut wertvolle zu betrachte 
wäre. Wenn die letztere Frage zu bejahen wäre, so müßte eben die 
aßstab, der uns die absolut. wertvollen Normen unseres Verhalten 
zeigen würde, als, der einzige Maßstab wahrhaft sittlichen Verhaltens 
elten; jede Entscheidung, die nicht dieser Norm entspricht, wäre 98 
mit als minderwertig gekennzeichnet —: wir besäßen. nicht mehr Eur 
jenes formale Princip des kategorischen Imperativs, sondern ein mate- 
riales Gesetz der absoluten Wertbestimmung. . 
Allein wer sich der früher gegebenen Auflösung der Antinomien
	        
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