Full text: Einleitung in die Philosophie

? 8 38. Der Wertbegriff und die praktischen Normen. 
Eudämonistische und timetische Willensbestimmung. 
Die soeben gewonnenen Ergebnisse zeigen uns die mora- 
lische Bedeutung der früher besprochenen timetischen 
Ideale. Jedes timetische Ideal gibt — seinem Begriffe nach — 
unserem Verhalten ein Gesetz, dem wir nur zu folgen brauchen, 
um der inneren Widerspruchslosigkeit unserer Entscheidungen 
sicher zu sein, solange das betreffende timetische Ideal als 
höchster Wert. gilt. Der moralische Wert der timetischen 
Willensbestimmung beruht also darauf, daß sie stets eine ge- 
setzmäßige im Sinne der vorigen Betrachtungen ist: wir 
besitzen in dem timetischen. Ideal eine allgemeine Maxime 
unseres Verhaltens. Daher das innerlich Beruhigende, Be- 
glückende der Hingabe an ein solches Ideal; daher ebenso das 
hartnäckige — oft fanatische, auf wissentlichen Selbstbetrug 
gegründete — Festhalten der meisten Menschen an anerzogenen 
timetischen Idealen; daher endlich die erschütternde, ja zer- 
schmetternde Wirkung, die unfehlbar eintritt, wo ein bisher 
höchst Verehrtes sich als ein Minderwertiges erweist, wo uns 
ein Ideal zerstört wird, an dem wir bisher mit unserer ganzen 
Seele hingen. Der Boden weicht unter unseren Füßen: all 
unser bisheriges Verhalten, zu dem uns das Vertrauen auf 
unser Ideal den Weg wies, erscheint uns mit einem Male recht- 
los; für unsere künftigen Entschließungen ist uns der Halt, 
ist uns die Richtschnur genommen. 
Andererseits zeigt ung dieselbe Überlegung, daß ein völlig 
consequent eudämonistisches Verhalten notwendig zur 
timetischen Willensbestimmung führen muß. Denn sie 1äßt 
uns erkennen, daß ‚unser Glück nur mit der gesgetzmäßigen 
Bestimmung unseres Wollens, d. h. nur in der Harmonie aller 
unserer Bestrebungen bestehen kann, oder was dasselbe sagt, 
daß wir glücklich nur sein können, soweit wir gut sind. 
erinnert, wird erkennen, daß diese Forderung absolut wertvoller 
Entscheidungen denselben. Widerspruch in sich schließt, wie die For- 
derung absoluter Causalbestimmung. Denn im einen wie im anderen 
Falle ist absolute Vollständigkeit der Erfahrung als gegeben voraus- 
gesetzt — d.h. es ist eben jene Voraussetzung gemacht, die den Wider- 
sinn. des vollendet gegebenen Unendlichen in sich schließt. 
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