Full text: Einleitung in die Philosophie

2 $ 5. Dogmatismus und Empirismus. 
Die mythologische Erklärung der Naturerscheinungen im 
ersten Beispiel wird auf den ersten Blick als eine minder 
befriedigende erkannt gegenüber der Erklärung der Planeten- 
bewegung durch das Newtonsche Gesetz im zweiten Beispiel; 
ein Unterschied, den wir in der Beurteilung der ersteren Er- 
klärung als einer unwissenschaftlichen, der zweiten als 
einer wissenschaftlichen Erklärung zum Ausdruck bringen. 
Ein consequentes Klarheitsstreben kann bei minderwerti- 
gen Erklärungen nicht stehen bleiben; es muß vielmehr stets 
von den minderbefriedigenden zu befriedigenderen Erklärungen 
fortschreiten. Wir werden demgemäß allgemeinen Aufschluß 
über die Richtung erhalten, in welcher sich der Fortschritt 
des philosophischen Denkens bewegt, wenn wir die Be- 
dingungen analysieren, von welchen jener Wertunterschied 
abhängt. 
Zu dieser Analyse wollen wir uns nunmehr wenden. Wir 
beziehen uns dabei zunächst wiederum auf die obigen Beispiele. 
Die angeführten Erklärungen der Planetenbewegun- 
gen fußten durchweg auf beobachteten Tatsachen. Sie 
bestanden darin, daß. diese Tatsachen auf einen zusammen- 
fassenden Ausdruck gebracht wurden, der -sie in einfacherer 
Weise überschauen ließ. Der jedesmalige Fortschritt der 
Erklärung bestand einzig in der Vereinfachung dieser Zu- 
sammenfassung. 
Wir sind tatsächlich im Besitz von Erfahrungen, die 
uns das Recht geben, jene Formel für die Bewegung materieller 
Massen aufzustellen, die sich uns als letzte Erklärung der 
Planetenbewegungen ergab. Wenn wir sagen, daß die Himmels- 
körper ebenso wie die gravitirenden Körper an der Erdober- 
fläche, jederzeit in ihren Bewegungen durch die Anwesenheit 
anderer Körper in der Weise beeinflußt werden, als ob zwischen 
je zwei Massen die dem Newtonschen Gesetz entsprechende 
Anziehungskraft wirkte, so geben wir mit dieser Behauptung 
nur eben die Zusammenfassung gemachter Erfahrungen. 
Sie ist nichts als der Ausdruck für alles das, was tatsächlich 
als Eigentümlichkeit der Bewegung materieller Massen in 
tausend Fällen beobachtet worden ist. Die Erfahrung hat 
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