Full text: Einleitung in die Philosophie

Die Hypothesen der Naturwissenschaft. : 
Die Hypothesen der Naturwissenschaft. 
Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als ob der an 
den reinen Empirismus gestellten Forderung gerade diejenigen 
Wissenschaften nicht entsprächen, die sich vor allen streng 
empirischer Methode zu rühmen pflegen. Die Naturwissen- 
schaften können anscheinend der dogmatischen Begriffe zu 
ihren Theorien nicht entbehren. Die Hypothesen in der 
Naturwissenschaft — wie z. B. die allbekannte, von der 
Mehrzahl der Naturforscher heute noch für unentbehrlich ge- 
haltene atomistische Hypothese -— erscheinen tatsächlich als 
Factoren der Erklärung den dogmatischen Annahmen der 
mythologischen Erklärungen völlig gleichgeordnet. Hier wie 
dort haben wir es mit Annahmen zu tun, die durch. direete 
Erfahrung nicht verificiert sind, ja zum Teil sicher niemals 
erwiesen werden können. Kein Auge hat jemals Atome ge- 
sehen, und nach dem naturwissenschaftlich festgelegten Begriff 
des Atoms erscheint jede Hoffnung ausgeschlossen, daß jemals 
Atome als solche irgendwie zur Wahrnehmung gelangen können; 
von den „Ätheratomen“ können wir uns streng genommen nicht 
einmal eine Vorstellung machen, da jedes‘ sinnliche Material 
für eine solche Vorstellung durch die dem Ätheratom beigelegten 
Funetionen ausgeschlossen ist. Nichtsdestoweniger bedienen wir 
uns des Atombegriffs und meinen ihn nicht entbehren zu 
können — weil er uns eben eine so außerordentlich klare Vor- 
stellung einer großen Reihe von Naturvorgängen zu bilden ge- 
stattet, wie wir sie ohne den Atombegriff nicht zu gewinnen 
vermöchten. Ist aber nicht eben hiermit ein durchaus dog- 
matisches Element in die Naturwissenschaft eingeführt? Dürfen 
die Erklärungen, die sich solcher über alle Grenzen möglicher 
Erfahrung hinausgreifender Annahmen bedienen, noch auf den 
Namen wissenschaftlicher Erklärungen Anspruch machen. — ist 
nicht vielmehr jede derartige Annahme als unwissenschaftlich 
zu verwerfen? 
Auf diese Frage ist eine doppelte Antwort möglich, je 
nach dem Sinne, in welchem die Hypothesen angewendet werden. 
Wer auf Grund jener chemischen und physikalischen Be- 
obachtungen, zu deren Erklärung die hypothetischen Vorstel- 
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