Metaphysische Systembildung. 47
Wir sehen also die wissenschaftliche Entwicklung von
ihrem empiristischen Endziel abgedrängt und in ein durchaus
dogmatisches Fahrwasser getrieben.
Die Gründe dieser Erscheinung werden wir in denselben
Mängeln des vorwissenschaftlichen Erkenntnisbesitzes suchen
müssen, auf deren Beseitigung das philosophische Streben sich
richtet. Denn da die Entwicklung des philosophischen Denkens
nur eben von diesem gegebenen Fundamente ausgehen kann,
so müssen die Mängel des letzteren sich auch in dieser Ent-
wicklung bemerkbar machen, insofern diese gezwungen ist,
sich auf das genannte Fundament zu stützen. |
Entsprechend dem doppelten Mangel jenes Erkenntnis-
besitzes stoßen wir daher auch auf eine zweifache Quelle der
Hemmnisse des philosophischen Fortschritts.
a) Metaphysische Systembildung.
Die erste Quelle solcher Hemmnisse fließt aus der Tat-
sache, daß das Bedürfnis nach einheitlicher, allumfassender Er-
kenntnis durch den dem philosophierenden Individuum zugäng-
lichen Besitz an tatsächlicher Erfahrung niemals befriedigt
werden kann. Da das Bedürfnis nach allumfassender Erkennt-
nis, nach Erklärung des Weltganzen von vornherein zu mächtig
ist, als daß es sich durch die Grenzen des tatsächlich gegebenen
Erfahrungswissens einschränken ließe, so nimmt es zur Hilfe
der Phantasie seine Zuflucht: sie muß ergänzen, was an tat-
sächlichem Wissen fehlt — ihre Flügel sollen ums über die
Mühseligkeit der Einzelforschung hinweg auf einem kürzeren
Wege zu den letzten, höchsten Erkenntnissen, zu einer allum-
fassenden Theorie alles Daseins tragen. Ergebnisse solcher
Speculation sind die mehr oder minder imposanten meta-
physischen Systeme alter und neuer Zeit. Entsprechend
dem Stande der tatsächlichen Kenntnisse ihrer Schöpfer ruhen
diese Systeme stets auf einer mehr oder minder breiten Er-
fahrungsgrundlage; immer aber finden wir die Lücken dieser
Grundlage an der einen oder der. anderen Stelle durch will-
kürliche Dichtung ergänzt, die das System als dogmatischen
Erklärungsversuch charakterisiert.
Am reinsten tritt die Wirkung dieses metaphysischen