Einleitung: Politik und Zoll- u. Handelsgesetzgebung. 69 
dem Aufblühen ihrer Industrien, wenn auch nicht in gleicher Weise, 
angewendete System nunmehr seine Spitze gegen England selbst 
richtete. Sie erachteten daher die Zeit für gekommen, es wesent— 
lich einzuschränken und hinsichtlich der Schiffahrt und der den 
Gewerben des Auslandes sicher überlegenen Industrien gänzlich 
aufzugeben. So erhielt das englische Zollwesen mit der Zeit fast 
gänzlich den Charakter eines Finanztarifs. Die englische Regierung 
war bestrebt, diesem, durchaus in seinem Interesse liegenden neuen, 
vollkommen freihändlerischen Handelssystem auch, soweit als irgend 
thunlich, in anderen Ländern Eingang zu verschaffen, und glaubte 
dies am besten und sichersten durch den Abschluß von Handels— 
verträgen erreichen zu können. Auf Englands Anerbieten, in 
Verhandlungen über den Abschluß eines Handelsvertrages ein— 
zutreten, ging Napoleon sofort ein; sie waren so erfolgreich, daß 
der Handelsvertrag zwischen Frankreich und England bereits am 
25. Januar 1860 abgeschlossen werden konnte. 
Diesen Vertrag, zum großen Theil das persönliche Werk des 
Kaisers, hatte Napoleon trotz des Widerstandes der in der alten 
Schule großgezogenen Bureaukratie und eines erheblichen Theiles 
der bisher so weitgehend begünstigten Industriellen durchgeführt. 
Die Vorbereitungen zu den Verhandlungen waren vom Kaiser mit 
ganz außerordentlichem Geschick und bewunderungswürdiger Vorsicht 
getroffen worden. Die Grundlage bildete eine Enquete, die sich 
über alle Zweige der französischen Produktion und Fabrikation 
erstreckte und den Nachweis über die genauesten Einzelheiten aller 
Erzeugungs-, Wettbewerbs- und Preisverhältnisse lieferte. Die 
Ergebnisse dieser Enquete wurden später in sieben großen Bänden von 
der französischen Regierung veröffentlicht;“) sie bildeten ein bisher**) 
*) Die sieben Bände befanden sich in der vortrefflichen Bibliothek des 
verstorbenen Direktor Staub-Küstrin, der sich s. z3. um den Centralverband 
große Verdienste erworben hat; sie wurden von dem Referenten Bueck als 
Beispiel der großen Versammlung des Centralverbandes in Frankfurt am 
16. Juni 1877 vorgelegt, von der die Anstellung einer ähnlichen Enquete in 
Deutschland verlangt wurde. 
**) Die Enquete des Jahres 1879 in Deutschland erstreckte sich bekanntlich 
nur auf die Eisen-, Baumwollen- und Leinenindustrie. Die Vorbereitungen 
für den Abschluß neuer Handelsverträge nach Ablauf der bestehenden im 
Jahre 1903 sind unzweifelhaft von gleicher Vollkommenheit, wenn sie di 
damalige französische Enquete nicht übertreffen; ihre Ergebnisse sind jedoch aus 
naheliegenden Gründen bisher noch nicht veröffentlicht.