Full text: Erster Band (1. Band)

72 Der Centralverband 1876 1901. 
Dieses System hatte Napoleon durch den Vertrag mit England 
beseitigt, und das neue System sowie der Vertrag wurden um so 
freudiger begrüßt, als beide Frankreich als den Führer auf dem 
Wege des Fortschrittes in handelspolitischen Dingen erscheinen ließen. 
Ganz thöricht und verkehrt aber war es, Napoleon als den 
Apostel des Freihandels zu feiern, wie es seitens der deutschen 
Freihändler später gegen Ende der sechziger Jahre und während 
des achten Jahrzehntes in den heftigen Kämpfen zwischen Frei— 
händlern und Schutzzöllnern geschah. Napoleon hatte allerdings mit 
dem unhaltbar gewordenen System der Einfuhrverbote und aus— 
schließenden Schutzzölle gebrochen, der Produktion seines Landes 
aber dafür einen äußerst specialisirten Tarif und einen Schutz in Höhe 
von 25 bis 30 pCt. vom Werthe gesichert. Mehr haben die 
deutschen Schutzzöllner niemals verlangt. Im Gegentheil: sie wären 
damals in vielen Fällen zufrieden und glücklich gewesen, wenn es 
ihnen gelungen wäre, den Bestand wesentlich niedrigerer Zölle zu 
erhalten oder die Einführung solcher zu erlangen. 
England hatte damals bereits sein altes System über Bord 
geworfen und seinen inneren Markt dem Handel aller Nationen 
geöffnet. Es konnte dies thun, da die englischen den Ausschlag 
gebenden Industrien in ihrer großen Ueberlegenheit keinen Wett— 
bewerb zu fürchten hatten. Aber neben seinen sonstigen, mit der 
radikalen Aenderung seines Systems verbundenen gewaltigen 
finanziellen Opfern, war England auch vor Opfern auf industriellem 
Gebiete nicht zurückgeschreckt. So hatte es beispielsweise durch den 
Vertrag seine blühende Seidenindustie preisgegeben. England 
aber rechnete darauf, daß der von ihm beschrittene das größte 
Aufsehen machende neue Weg der Handelspolitik auch andere 
Staaten zur Revision ihrer strengen Zollsysteme veranlassen würde, 
und hatte sich darin nicht verrechnet. 
Frankreich hatte seinem neuen Tarif nicht wie England 
allgemeine Geltung gegeben, sondern sich vorbehalten, gegen alle 
übrigen Nationen seinen alten Tarif so lange als Differential— 
tarif in Geltung zu belassen, bis diese sich gleichfalls durch den 
Abschluß von Handelsverträgen mit Frankreich das Recht der Be— 
handlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation erworben 
haben würden. Damit lag für alle übrigen Staaten eine 
Nothwendigkeit vor, Handelsverträge mit Frankreich abzuschließen. 
Die französische Regierung ließ es an Einladungen hierzu nicht
	        
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