Full text: Erster Band (1. Band)

Einleitung: Politik und Zoll- u. Handelsgesetzgebung. 75 
einem Schutze kaum die Rede sein. Die „Ausgleichung“ der beider— 
seitigen Tarife hätte daher eine gänzliche Umgestaltung des Zoll— 
vereinstarifs, eine höchst mühevolle und bei den Zuständen im 
Verein wohl auch fruchtlose Arbeit, bedingt. Mit Bestimmtheit 
war der Widerstand derjenigen Zollvereinsstaaten zu erwarten, die 
von jeher den Schutz der deutschen Industrie angestrebt hatten, und 
somit auch der Widerstand des größten Theiles der Industriellen 
selbst. Denn sie mußten voraussehen, daß ein Handelsvertrag mit 
Frankreich nur bei Minderung der deutschen Zölle zustande 
kommen könnte, womit der Mitbewerb französischer Erzeugnisse auf 
dem deutschen Markte verschärft, die Absatzmöglichkeit nach Frank— 
reich aber, wegen der dortigen durchweg hohen Zölle, nicht ver— 
mehrt werden würde. 
Die preußische Regierung begegnete in der That bei den von 
ihr unverzüglich mit den Zollvereinsstaaten eingeleiteten Verhand— 
lungen wegen des Abschlusses eines Handelsvertrages mit Frank— 
reich solchen Schwierigkeiten. Sie versuchte ihnen dadurch zu 
begegnen, daß sie einerseits die Regierungen zu einer schnellen 
Entscheidung drängte, und andererseits, im grellen Gegensatz zu 
dem Verfahren des französischen Kaisers vor Abschluß des Ver— 
trages mit England, es unterließ, auch nur Gutachten ihrer 
Handelskammern einzuholen. 
Die preußische Regierung hatte den Vereinsregierungen gegen 
Ende April 1861 eine ausführliche Denkschrift über die bisherigen 
Verhandlungen mit Frankreich zugehen lassen. In ihr hatte 
Preußen die Voraussetzungen seiner Handelsvertragspolitik dar— 
gelegt, eine Erörterung der wichtigeren Tarifpositionen und eine 
vergleichende Uebersicht der durch den französisch-englischen Vertrag 
eingeführten Tarife gegenüber dem Zollvereinstarif und außer— 
dem den Entwurf einer Uebereinkunft zwischen Preußen und 
Frankreich über den gegenseitigen Schuzz der Rechte an literarischen 
Erzeugnissen gegeben. Ein Vertragsentwurf war der Denkschrift 
nicht beigefügt, jedoch das auffällige Verlangen an die Vereins— 
regierungen gestellt, ihre vollständigen Rüͤckäußerungen bis spätestens 
Mitte Mai der preußischen Regierung zugehen zu lassen. 
Dieses außergewöhnliche Drängen erregte bei den Regierungen 
Mißtrauen und Befremden, und mehrere derselben gaben dieser 
Stimmung auch mit dem Verlangen nach einer längeren Frist Ausdruck. 
Bayern besonders antwortete erst am 7. Juni 1861. Unter Hervor—
	        
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