Full text: Erster Band (1. Band)

34 Der Centralverband 1876 — 1901. 
Theil vom Schutzzollsystem zum System niedriger Finanzzölle über⸗— 
geht, ohne zu fragen, ob der andere Theil ihm folgen kann, und 
die er überdies nicht auf dem Wegé der inneren Gesetzgebung, son— 
dern durch einen bindenden Vertrag mit einer dritten Macht ver— 
wirklicht, eine solche Reform kann nicht mehr unter die Vorschrift 
des Artikels IV des Vertrages von 1853 fallen, sondern sie befindet 
sich im offenbaren Widerspruch sowohl mit der Eingangsformel des 
Vertrages, welche den hohen vertragschließenden Theilen das Ziel 
der deutsch- österreichischen Zolleinigung vorzeichnet, als mit dem 
Art. XXV, welcher für den Fall, daß die Zolleinigung im Jahre 
1860 noch nicht zustande käme, die Verpflichtung begründet, 
wenigstens die möglichste Annäherung und Gleichstellung der beider⸗ 
seitigen Zolltarife anzustreben. Die Kaiserliche Regierung ist es sich 
daher schuldig, und sie glaubt es auch den wohlverstandenen Inter— 
essen Deutschlands schuldig zu sein, auszusprechen: daß sie in der 
Annahme der am 29. März d. J. zu Berlin zwischen Preußen und 
Frankreich paraphirten Vereinbarungen seitens des Zollvereins eine 
Störung und Hintansetzung des zwischen Oesterreich und dem 
Zollverein durch den Vertrag vom 19. Februar 1853 begründeten 
Vertragsverhältnisses würde erblicken müssen.“ 
Nachdem Finanzminister v. d. Heydt den Vertrag mit Frank— 
reich am 26. Mai dem Hause der Abgeordneten vorgelegt hatte, 
beantwortete Graf Bernstorff in einer Depesche vom 28. Mai an 
den preußischen Gesandten in Wien das österreichische Memorandum. 
Preußen wies die Vorwürfe Oesterreichs mit Entschiedenheit 
zurück, behauptete, den Februarvertrag und ganz besonders den Art. IV 
desselben in keiner Weise verletzt, sondern sich in jeder Beziehung 
in den Grenzen der Bestimmungen des Vertrages gehalten zu haben. 
Sodann heißt es in der Depesche wörtlich: 
„Wenn jemals, so sind wir in der vorliegenden Ange— 
legenheit nur durch die Rücksichten auf die materielle Wohlfahrt 
geleitet worden; wir konnten und durften nicht zurückbleiben, als 
Großbritannien und Frankreich auf der Bahn großer wirthschaft— 
licher, durch die Zeit gebotener Reformen vorgingen und andere 
Staaten ihnen bereits folgten; wir zweifeln nicht, daß auch Oester— 
reich, in welchem neuerdings so viel auf dem Wege der Reformen 
geschehen ist, auf dem vorliegenden Gebiete ebenfalls nicht wird 
zurückbleiben können. Daß die Verträge mit Frankreich eine Zoll⸗ 
einigung Oesterreichs- mit dem Zollverein unmöglich machen, wird
	        
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