Full text: Erster Band (1. Band)

Erster Abschnitt: Chronik des Centralverbandes. 129 
Der Gedanke, die durch das Gesetz in Aussicht gestellte 
gänzliche Beseitigung der Eisenzölle vom Standpunkte des Schutz— 
zolles aus zu bekämpfen und sich damit von den Prinzipien des 
Freihandels zu trennen, erschien den meisten jedoch so ungeheuerlich, 
daß sie sich nur die Hinausschiebung dieser Maßregel auf kurze 
Zeit als Ziel steckten. Jeder Gedanke, die Eisenzölle dauernd zu 
erhalten oder gar eine Erhöhung der auf ein Minimum reduzirten 
Zölle herbeizuführen, wurde entschieden zurückgewiesen. Diese 
Strömung machte sich selbst in der Hauptversammlung des Vereins 
Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller vom 17. Januar 1875 stark 
bemerkbar. Ein Theil derer, welche die Erhaltung der Schutzzölle 
und selbst deren Erhöhung für nothwendig hielten, betrachtete die 
Herrschaft der Freihandelstheorie jedoch als so feststehend und un— 
erschütterlich, daß er eine Aenderung der herrschenden Meinung 
nicht mehr für möglich erachtete. Selbst die bescheidenste, auf die 
Hinausschiebung des Fortfalles der Eisenzölle nur auf kurze 
Zeit gerichtete Forderung wurde für unerreichbar erachtet, 
wenn von der öffentlichen Meinung irgend schutzöllnerische 
Gedanken hinter derselben vermuthet werden konnten. Daher wurde 
auch von dieser Seite vorgeschlagen, jene Forderung nur unter all— 
gemeiner Anerkennung des Freihandelsgedankens zu stellen. Die 
Vertreter dieser Strömung bildeten damals im Vorstand des Vereins 
Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller die Mehrheit, und die Denk— 
schrift, die dieser am 11. August 1875 an die einzelnen Regierungen 
in Sachen der Eisenzölle zu richten beschloß, war im Sinne der 
hier dargelegten Anschauungen gehalten. In dem Vorstande 
der Nordwestlichen Gruppe fand eine wesentlich entschiedenere Haltung 
bereits sehr energische Vertreter. Diese erstrebten sogar bereits von 
dem Gesichtspunkte des Schutzes der Arbeit aus eine Aenderung 
der Handelspolitik im Sinne des Schutzzollprinzips. 
Von dem Verein Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller 
wurden mit vollem Ernst alle Maßnahmen vorbereitet, um im 
Herbst 1875 vom Reichstage eine mindestens zeitweise Sistirung 
der Ausführung des Gesetzes vom 7. Juli 1873 zu erlangen. 
Ueber den. Erfolg gab man sich jedoch nur sehr schwachen 
Hoffnungen hin, es wurde vielmehr mit voller Klarheit erkannt, 
daß nur ein Umschwung in der öffentlichen Meinung eine Aenderung 
in der handelspolitischen Leitung des Reiches herbeiführen könne. 
Die Bestrebungen wurden daher auf diesen Punkt hauptsächlich
	        
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