136 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
giebt jetzt die eigentliche Schutzzolltheorie preis. Natürlich, mit
diesen Mitteln läßt sich nichts mehr machen, Niemand wagt mehr,
uns heute das alte Lied von dem Schutzzoll vorzutragen. Es ist
ja auch nicht mehr möglich, es giebt keine Schule mehr, keine
Lehrer, keine Doktrin, in Deutschland wenigstens, die den Schutz—
zoll vertritt. Bamberger sollte sich in wenigen Jahren von der voll—
kommenen Haltlosigkeit seines Urtheils überzeugen. Der Reichstag
beschloß, wie es in den stenographischen Berichten heißt, „mit
erheblicher Mehrheit“, über die sämmtlichen Petitionen zur
Tagesordnung überzugehen. Somit war die Eisenindustrie mit
ihren Forderungen unterlegen.
Nach jener Debatte im Reichstag herrschte volle Klarheit
darüber, daß für eine Aenderung der Wirthschaftspolitik des Reiches
weder vom Tische des Bundesrathes noch von der damaligen
Mehrheit des Reichstages etwas zu hoffen sei. Vollkommen über—
zeugend war die aus dieser Sachlage zu ziehende Lehre, daß Erfolg
nur erwartet werden könne, wenn es gelänge, unter Zusammen—
fassung aller Kräfte und mit äußerster Energie und Entschlossenheit
im Kampfe, die öffentliche Meinung der Lehre des bedingungslosen
Freihandels zu entfremden. Dieser Ueberzeugung entsprach die
Stimmung, die sich nach den Reichstagsverhandlungen vom
7. Dezember aller Kreise der Industriellen bemächtigte. Die In—
dustrie erkannte mehr und mehr die verheerenden Wirkungen des
Freihandelssystems und wendete sich einer maßvollen Schutzzoll—
politik zu.
Diese Stimmung hatte den Boden wohl vorbereitet, auf dem
nunmehr der Reichstagsabgeordnete von Kardorff-Wabnitz, der
muthige Vorkämpfer für die Industrie und deren Schutz, seine
denkwürdige Thätigkeit anderwärts begann.
Vor einiger Zeit schon hatte W. von Kardorff seine Broschüre
„Gegen den Strom“ veröffentlicht, die ungeheures Aufsehen
erregte, da sie aussprach, was auszusprechen bisher kaum gewagt
war, die unvermittelte Forderung, daß die deutsche Wirth—
schaftspolitik wieder zum Schutzzoll umkehren müsse.
Gegen Ende November hatte von Kardorff an einen kleineren
Kreis von in der Industrie stehenden Männern die Einladung zu
einer Besprechung gerichtet, die am 14. Dezember 1875 im Nord—
deutschen Hof zu Berlin behufs Bildung eines neuen Vereins