186 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
Reichskanzlers, eine Revision des Zolltarifs vorzunehmen. In
welchem Sinne aber diese Revision, beziehungsweise Neuauf—
stellung, eines Zolltarifs vollzogen werden sollte, darüber wurde die
öffentliche Meinung durch das von dem Reichskanzler unter dem
15. Dezember an den Bundesrath gerichtete Schreiben aufgeklärt.
Diesem Schreiben folgte sehr bald die Konstituirung der Tarif—
Kommission, zu deren Vorsitzenden Freiherr von Varnbüler und
Geheimer Regierungsrath Tiedemann berufen wurden.
Unter dem Eindruck aller dieser Verhältnisse vollzog sich die
Ausschußsitzung und Delegirtenversammlung vom 15. und 16. Fe—
bruar 1879. Merkwürdigerweise sind die Verhandlungen dieser
Versammlung nicht, wie gewöhnlich, nach den stenographischen Auf—
zeichnungen oder in ausführlicheren Darlegungen, sondern in einem
kurzen, nur 4 Druckseiten umfassenden Referat wiedergegeben.“)
Die Ursache dieser summarischen Berichterstattung ist wohl in dem
Beschluß des Ausschusses zu erblicken, durch den dem Gaschäfts—
führer Regierungsrath a. D. Beutner seine Stellung gekündigt
wurde. Der betreffende Beschluß ist in dem Bericht nicht erwähnt.
Auf der Tagesordnung standen zunächst Abänderungsvorschläge,
die zu dem vom Centralverbande aufgestellten autonomen Tarif—
entwurf vom Jahre 1877 eingegangen waren. Bei der Berathung
dieser Anträge nahm die Versammlung Veranlassung, sich hinsichtlich
der Zölle für das Kleingewerbe und des Verhältnisses zwischen
Landwirthschaft und Industrie auszusprechen. Die Versammlung
nahm ferner Stellung zu dem von dem Fürsten Reichskanzler in
seinem bereits erwähnten, an den Bundesrath gerichteten Schreiben
vom 15. Dezember 1878 entwickelten System ausgiebiger indirekter
Besteuerung. Sie beschloß endlich, nach einem längeren Vortrage des
Direktors Russell, dem Antrage des mittelrheinischen Fabrikanten—
vereins zu entsprechen und dem Verein der Arbeitgeber zur Auf—
besserung der Lage der arbeitenden Klassen beizutreten. Sodann
folgten Referate über die Geschäftslage der einzelnen Industrien.
Zur Verstärkung des Direktoriums wurde Direktor Russell
einstimmig als zweiter Stellvertreter des Vorsitzenden in das
Direktorium gewählt.
Russell war Verwaltungsbeamter in Hannoöver und als
solcher noch zu hannoverscher Zeit Bürgermeister der Stadt Papen—
*) Verhandlungen ꝛc. Nr. 9, S. 61.