Full text: Erster Band (1. Band)

254 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
bezüglich des Handelsvertrages mit Oesterreich-Ungarn von den 
verbündeten Regierungen verfolgt werden, in offizieller Weise nicht 
unterrichtet, das Direktorium hält sich aber nach dem, was über 
den bisherigen Gang der Verhandlungen und deren Ziele verlaut— 
bart, zu der Erklärung verpflichtet, daß die deutsche Industrie 
keine Vortheile anstrebt, welche nur auf Kosten der Landwirthschaft 
erreicht werden können. Wichtiger als die Höhe der landwirth— 
schaftlichen Zölle ist die Erhaltung genügender Arbeitsgelegenheit 
für landwirthschaftliche und industrielle Arbeiter, die Aufrechterhaltung 
der vaterländischen Erwerbsthätigkeit im bisherigen Umfange; 
hierin sind die Interessen von Landwirthschaft und Industrie 
solidarisch.“ 
Diese Erklärung war zunächst in der Absicht gegeben, die 
Stellung der Industrie zur Landwirthschaft zu klären. Das Direk— 
torium verfolgte mit ihr jedoch noch einen anderen bedeutungs— 
vollen Zweck. 
Der Ansturm der Freihändler gegen die Getreidezölle, der 
seinen Höhepunkt in der vom Abgeordneten Richter angeregten 
großen Kornzolldebatte im Reichstag am 13. Januar 1891 er— 
reichte*), hatte zur Folge, daß in den maßgebendsten österreichischen 
Zeitungen behauptet wurde, die deutsche Regierung biete mit der 
Ermäßigung der Getreidezölle gar keine Konzessionen, welche Gegen— 
konzessionen erforderten; denn man lese ja täglich in der deutschen 
Presse, daß die Ermäßigung der Getreidezölle im Interesse des 
Wohles des eigenen Landes, der Industrie wie der Arbeiter— 
bevölkerung, nothwendig sei. Die deutsche Regierung müsse daher 
die Getreidezölle herabsetzen, wenn sie die Zufriedenheit in ihrem 
eigenen Lande erhalten und fördern wolle. Unter diesen Umständen 
ging das Direktorium von der Ansicht aus, daß wenn eine so 
bedeutende Gruppe im deutschen Erwerbsleben, wie sie von dem 
Centralverbande dargestellt wurde, unter Betonung der Solidarität 
mit den Interessen der Landwirthschaft die Ermäßigung der Ge— 
treidezölle für sich als werthlos bezeichne, die Stellung der 
Regierung bei ihren Verhandlungen mit Oesterreich wesentlich 
gestützt und gekräftigt werden müsse.“ 
In dieser Ansicht wurde das Direktorium auch durch die 
Aeußerungen ihm nahestehender Reichstagsmitglieder bestätigt, von 
*) Siehe Stenogr. Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 
VIII. Legislaturperiode, J. Session 1890/91, II. Vand, S. 325.
	        
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