Full text: Erster Band (1. Band)

286 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
Arbeiterschutzgesetzgebung in Anspruch genommen wurde. Bei dieser 
hatte sich ein stark sozialistischer Zug sowohl bei der Regierung wie in 
den gesetzgebenden Körperschaften bemerkbar gemacht. In den letzteren 
bethätigte er sich besonders durch weitgehende Anträge auf Aenderung 
der Arbeitergesetzgebung. Die gesetzgeberischen Maßnahmen auf 
diesem Gebiete liefen in nicht wenigen Fällen auf eine Begünstigung 
der sozialdemokratischen Organisation und Agitation hinaus, die 
zudem noch durch die aufwärts strebende wirthschaftliche Bewegung 
Stütze und Stärkung erhielt. Die bei jeder Reichstagswahl in 
großen Summen zunehmende Zahl der abgegebenen sozialdemo— 
kratischen Stimmen legte Zeugniß hierfür ab und erregte namentlich 
Bedenken in den Kreisen der Arbeitgeber, auf deren Stellung 
sich der Ansturm von beiden Seiten, von den Sozialisten in den 
bürgerlichen Parteien und von den Sozialdemokraten selbst, richtete. 
Derart von der Gesetzgebung wie von den Verhältnissen begünstigt, 
trat die Sozialdemokratie mit großem Selbstbewußtsein auf. Sie ging 
besonders mit äußerster Rücksichtslosigkeit gegen diejenigen Kreise der 
Arbeiter vor, die sich noch von den sozialdemokratischen Organi— 
sationen fernhielten. Dies zeigte sich ganz besonders solchen Arbeitern 
gegenüber, die in Wahrung ihrer berechtigten Interessen fortarbeiten 
wollten, wenn von den sozialdemokratischen Führern in frivoler 
Weise Arbeitseinstellungen häufig nur zur Entscheidung von Macht— 
fragen angezettelt wurden. Solche Arbeitswillige wurden vielfach 
mit rücksichtsloser Brutalität behandelt und gezwungen, gegen ihren 
besseren Willen die Arbeit einzustellen. Dieses Verhalten der Sozial— 
demokraten erregte ernste Bedenken bei denen, die erkannten, daß 
das Wohl des Vaterlandes und der Gesammtheit von der unge— 
störten Dauer der bestehenden Wirthschafts- und Gesellschaftsordnung 
abhänge. Die besorgnißerregenden Zustände in der Arbeiterbevölkerung 
hatten auch die Aufmerksamkeit des Kaisers auf sich gelenkt. In 
zwei bedeutungsvollen Reden, die er am 17. Juni 1897 auf dem 
Sparenberg bei Bielefeld) und am 6. September 1898 in 
Oeynhausen**) gehalten hatte, bekundete er seine Absicht, die 
Arbeitswilligen zu schützen, wobei er diejenigen, die einen anderen 
böswillig an der Arbeit hinderten, mit schweren Strafen bedrohte 
und den Erlaß eines diesbezüglichen Gesetzes ankündigte. Es verging 
*) Dr. Arthur Berthold „Deutsches Reichsbuch 1899, S, 326. 
W. Spemann, Lerlin u. Stutlgart 1899 
**) Berl. Pol. Nachrichten 1898, Nr. 207.
	        
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