Full text: Erster Band (1. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 317 
aller Zölle führen müßten. Es lag somit nahe, daß eine Körper⸗ 
schaft, die sich als Ziel die Bekämpfung der entschieden frei— 
händlerischen Richtung in der deutschen Handelspolitik gesteckt hatte 
und als Ersatz dafür deren autonome Bethätigung verlangte, damals 
auch gegen eine Maßregel Stellung nahm, die von den Freihändlern 
als eines ihrer besten und wirkungsvollsten Werkzeuge bezeichnet 
wurde. 
In Oesterreich hatte die freihändlerische Richtung ihren Höhe— 
punkt erreicht mit dem Abschluß der Nachtragskonvention mit 
England vom 30. September 1869. Mit dieser Konvention war 
die österreichische Textilindustrie so schwer geschädigt worden, daß 
Oesterreich sich veranlaßt sah, sie am 16. Dezember 1875 zu kündigen. 
Dies war der erste Akt eines der bisherigen Handelsvertrags— 
staaten, durch den die Umkehr von der Freihandelsbewegung zum 
Schutzzoll bezeichnet wurde. Es ist daher durchaus unrichtig, 
wenn von freihändlerischer Seite damals behauptet wurde und noch 
jetzt behauptet wird, daß das Signal zu der Umkehr von Deutschland 
gegeben worden sei. 
Somit waren sowohl in Frankreich wie in Oesterreich un— 
verkennbare Anzeichen für die Abwendung von der Freihandelsidee 
vorhanden. Diese Erscheinung war von den deutschen Freihändlern 
unbeachtet geblieben. Daß diese Nichtbeachtung der im Auslande 
vorhandenen Strömungen gegen den bedingungslosen Freihandel 
ein Fehler war, ist leider zu spät erkannt worden. 
In neuester Zeit schrieb Karl Helfferich in seinem bereits 
angezogenen Werke (S. 127). 
„Es wäre ohne Zweifel für die ganze Entwicklung der deutschen 
Handelspolitik von großem Vortheil gewesen, wenn Regierung und 
Volksvertretung die Schwierigkeiten bei dem Abschluß eines neuen 
Handelsvertrages mit Frankreich als ein Zeichen der Zeit aufgefaßt 
und wenn sie auch den in anderen Ländern, namentlich in Ruß— 
land und Oesterreich, immer stärker werdenden protektionistischen 
Bestrebungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Der Weg der 
autonomen Zollherabsetzungen und Zollbefreiungen, der bereits vor 
dem Kriege betreten worden war, wäre darüber vielleicht nicht 
weiter verfolgt worden, sondern man hätte sich dann wohl weitere 
Schritte auf diesem Wege aufgespart als Gegenleistung gegen 
entsprechende Zugeständnisse anderer Staaten.“
	        
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