322 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
als eine Wirkung der Handelsverträge und der Freihandelspolitik
in Anspruch genommen, während doch Umstände und Verhältnisse
von so hervorragender Bedeutung, daß sie diese bezeichneten Momente
vollkommen in den Schatten stellen, jenen Aufschwung herbeiführten.
Da dieselben Handelsverträge noch bestehen und die Freihandels—
politik seitdem einen Erfolg nach dem anderen errungen hat, erscheint
die Frage berechtigt, wie diese Handelspolitik denn jetzt die Ver—
antwortlichkeit für die herrschende furchtbare Krisis und deren nie
dagewesene Dauer von sich abweisen kann?
„Der Freihandel der alten preußischen Tradition, wie ihn das
Gesetz vom 26. Mai 1818 verkündigte, hatte seinen Namen davon,
daß alle Ein⸗ und Ausfuhrverbote aufgehoben wurden. Das Ge⸗
setz ordnete aber, neben zum Theil sehr bedeutenden Finanzzöllen,
einen im Ganzen 10 pCt. des Werthes nicht übersteigenden Schutz—
zoll für Fabrik- und Manufakturwaaren ganz ausdrücklich und
prinzipiell an, zum Schutze der „inländischen Gewerbsamkeit!“
Weise und gerecht! — Erst seit Mitte der fünfziger Jahre begann
die englische Propaganda für denjenigen Freihandel, der sich mit
Zollfreiheit identifizirt, in Deutschland Wurzel zu fassen. Mit
ungewöhnlicher Geschwindigkeit verbreitete sich die Idee von der
internationalen Arbeitstheilung in den einflußreichsten Kreisen. Die
zahlreichen Vertreter der auswärtigen Handelsinteressen, besonders
der Seestädte, schlossen sich hocherfreut an diese unerwarteten und
brauchbaren Bundesgenossen an. Die durch die Grenzsperre
Rußlands eigenthümliche Situation der Landwirthschaft in den
Ostseeprovinzen wurde von denselben geschickt benutzt, um auch von
daher zahlreiche Anhänger heranzuziehen, obgleich gerade die
deutschen Landwirthe, selbst von Schutzzöllen begünstigt, als
Produzenten die gleichen Interessen hatten wie die Industrie, und
obgleich sie, wie der Augenschein lehrt, die beste Rente nur da
erzielen, wo eine gewerbliche und darum konsumtionsfähige Be—
völkerung der Landwirthschaft einen guten und nahen Absatz
sichert.
„Der Fall der Eisenzölle inmitten einer schweren Krisis ohne
alle und jede Aussicht auf Gegenleistung der uns umgebenden
Konkurrenzstaaten zeigt nicht nur in erschreckender Deutlichkeit, was
die Freihändler wollen, sondern auch, was sie zur Zeit können.
Die Verwirklichung ihres Programms muß unvermeidlich zum
Ruin der einheimischen Industrie führen. Die Seestädte wollen