2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 353
2. Falls Oesterreich-Ungarn mit Deutschland keinen Handels—
vertrag auf der unter Nr. 1 bezeichneten Grundlage zu schließen
gewillt ist, liegt für Deutschland keine Veranlassung vor, Oesterreich—
Ungarn auf den Fuß der meistbegünstigten Nation zu stellen.“
In dem Korreferat des Generalsekretärs Bueck kam die in
jenem entscheidenden Zeitpunkte eingenommene Stellung der Schutz-
zollpartei und insbesondere die von dem Centralverband in Bezug
auf die bedeutendste Tagesfrage bewahrte Haltung anschaulich zum
Ausdruck. Der Korreferent stellte folgenden Antrag:
„J1. Bei einem neuen Handelsvertrage mit Oesterreich ist das
Prinzip der Gegenseitigkeit besser als bisher zu wahren, wobei
besonders Rücksicht zu nehmen ist auf die Konsequenzen, welche
aus dem Recht der meistbegünstigten Nation zu Gunsten anderer
Länder entstehen.
2. Kommt ein definitiver Handelsvertrag mit Oesterreich jetzt
nicht zu stande, so ist ein Provisorium anzustreben, und während
desselben sind, unter vorläufiger Wiederherstellung des bis zum
1. Januar 1877 geltend gewesenen Zolltarifs, Ermittelungen über
die Lage und die Bedürfnisse der vaterländischen Produktion anzu—
stellen, nach deren Ergebniß ein späteres Definitivum herbei—
zuführen ist.
Der Korreferent dankte zunächst den beiden Vereinen dafür,
daß sie, trotz ihrer entgegengesetzten Ansicht, den schutzzöllnerisch ge—
sinnten Theilnehmern an der Versammlung in legaler Weise einen
so bevorzugten Platz zur Vertretung ihrer Ansichten eingeräumt
hätten. Aus diesem Verhalten glaube er schließen zu dürfen, daß,
wenn auch eine vollkommene Verständigung nicht erzielt werden
sollte, der Kampf künftig doch weniger leidenschaftlich und mit
wachsendem gegenseitigem Verständniß geführt werden würde. Zur
Sache übergehend, glaube er die Frage, ob Schutzzoll oder Frei—
handel, nicht unerörtert lassen zu können, da der Handelsvertrag
mit Oesterreich sich auf das eine oder das andere Prinzip stützen
müsse.
In seinen Anträgen habe er als Prinzip die bessere Wahrung
der Gegenseitigkeit vorangestellt; er verlange damit jedoch nicht
gleiche Zollsätze hüben und drüben, sondern nur, daß die Ver—
schiedenheit sich anpasse der Verschiedenheit der grundlegenden Ver—
hältnisse. Daß diese in den bestehenden Tarifen wenig berück—
sichtigt sei, bewies der Korreferent mit schlagenden Beispielen.
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