Full text: Erster Band (1. Band)

372 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
minister Camphausen, der treue Gefährte Delbrücks in Ver— 
tretung und Förderung der freihändlerischen Wirthschafts- und 
Handelspolitik, trat zurück; er wurde durch Hobrecht ersetzt. 
Gleichzeitig mit ihm legte auch der Handelsminister Achenbach 
sein Amt nieder. Selbst aus industriellen Kreisen stammend und 
im Bergfach ausgebildet, hatte er der deutschen Industrie viel 
Wohlwollen erwiesen. Er war aber nicht stark genug, um sich dem 
Einfluß der herrschenden Freihandelsbewegung zu entziehen und 
ihr einen erfolgreichen Widerstand entgegen zu setzen, obwohl er dem 
Anschein nach selbst von der Fehlsamkeit jener Bewegung überzeugt 
war. An seine Stelle trat Maybach. Die erste halbamtliche 
Aeußerung, aus welcher zu schließen war, daß Bismarck eine Zoll— 
und Steuerreform ernstlich ins Auge gefaßt hätte, brachte die 
„Provinziale Korrespondenz“ vom 10. April 1878. Es hieß in dieser 
bedeutenden Kundgebung: 
„Wie auf dem Gebiete der Steuerpolitik, so ist des Kanzlers 
Streben auch in der Zollpolitik des Reiches darauf gerichtet, die 
Behandlung der Zollfragen nicht nach den Auffassungen und 
Geboten bloßer Lehrmeinungen, sondern vor allem nach den An— 
forderungen der thatsächlichen Lage der Dinge und nach den 
wirklichen Bedürfnissen des Volkes zu gestalten. Unsere Handels— 
politik huldigt im weitesten Maße dem System des Freihandels, 
und die Vorzüge desselben an uund für sich sollen nicht bestritten 
werden, insofern dabei die Gegenseitigkeit unter den Völkern ge— 
wahrt ist, — ohne Gegenseitigkeit schädigt der Freihandel denjenigen, 
der sich „edel“ dem Prinzip zu opfern bereit ist. Wenn gleiche 
Gesichtspunkte in der Finanzpolitik des Deutschen Reiches zur 
Geltung gelangen, so wird es sich in erster Linie um Erhöhung 
der sogenannten Finanzzölle handeln; insofern dabei durch Revision 
des Zolltarifes gleichzeitig die Möglichkeit gegeben ist, zum Schutze 
der heimischen Industrie beizutragen, wird die Finanzpolitik nicht 
aus Liebe zur Theorie und aus Furcht vor handelspolitischen 
Schlagworten ängstlich davor zurückschrecken dürfen.“ 
In diesem Sinne waren auch die leitenden Gesichtspunkte 
aufgestellt, welche in demselben Monat der Kanzler den Ministern 
Hobrecht, Maybach und Hofmann als Grundlage für die 
Tarifrevision vorlegte. Im Prinzip fanden diese Grundzüge bereits 
Anfang 1878 die Zustimmung aller in Heidelberg behufs ge— 
meinsamer Berathungen versammelten deutschen Finanzminister.
	        
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