Full text: Erster Band (1. Band)

382 H. A. Bueck Centralverband Deutscher Industrieller. 
„Ich lasse dahingestellt, ob ein Zustand vollkommener gegen— 
seitiger Freiheit des inlernationalen Verkehrs, wie ihn die Theorie 
des Freihandels als Ziel vor Augen hat, dem Interesse Deutsch⸗ 
lands entsprechen würde. So lange aber die meisten der Länder, 
auf welche wir mit unserem Verkehr angewiesen sind, sich mit Zoll— 
schranken umgeben und die Tendenz zur Erhöhung derselben noch 
im Steigen begriffen ist, erscheint es mir gerechtfertigt und im 
wirthschaftlichen Interesse der Nation geboten, uns in der Be⸗ 
friedigung unserer finanziellen Bedürfnisse nicht durch die Besorgniß 
einschränken zu lassen, daß durch dieselben deutsche Produkte eine 
geringe Bevorzugung vor ausländischen erfahren. 
„Der jetzt bestehende Vereinszolltarif enthält neben den reinen 
Finanzzöllen eine Reihe von mäßigen Schutzzöllen für bestimmte 
Industriezweige. Eine Beseitigung oder Verminderung dieser Zölle 
wird, zumal bei der gegenwärtigen Lage der Industrie, nicht rath— 
sam erscheinen; vielleicht wird sogar bei manchen Artikeln im 
Interesse einzelner besonders leidender Zweige der heimischen Industrie, 
je nach dem Ergebniß der im Gange befindlichen Enqueten, eine 
Wiederherstellung höherer oder Erhöhung der gegenwärtigen Zoll⸗ 
sätze sich empfehlen. 
„Schutzzölle für einzelne Industriezweige aber wirken, zumal 
wenn sie das durch die Rücksicht auf den finanziellen Ertrag ge— 
botene Maß überschreiten, wie ein Privilegium und begegnen auf 
Seiten der Vertreter der nicht geschützten Zweige der Erwerbs— 
thätigkeit der Abneigung, welcher jedes Privilegium ausgesetzt 
ist. Dieser Abneigung wird ein Zollsystem nicht begegnen können, 
welches innerhalb der durch das finanzielle Interesse gezogenen 
Schranken der gesammten inländischen Produktion einen Vorzug 
von der ausländischen Produktion auf dem einheimischen Markt 
gewährt. Ein solches System wird nach keiner Seite hin drückend 
erscheinen können, weil seine Wirkungen sich über alle produzirenden 
Kreise der Nation gleichmäßiger vertheilen, als es bei einem System 
von Schutzzöllen für einzelne Industriezweige der Fall iDie 
Minderheit der Bevölkerung, welche überhaupt nicht produzirt, 
sondern ausschließlich konsumirt, wird durch ein die gesammte 
nationale Produktion begünstigendes Zollsystem scheinbar benach— 
theiligt. Wenn indessen durch ein solches System die Gesammt— 
summe der im Inlande erzeugten Werthe vermehrt und dadurch der 
Volkswohlstand im Ganzen gehoben wird, so wird dies schließlich
	        
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