2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 391
eingehender Begründung schriftlich eingesandt worden seien. Es wurde
zugegeben, daß bei der Schwierigkeit der Arbeit und bei der Kürze
der Zeit, die für die Fertigstellung des Tarifentwurfes gegeben
war, einzelne Mängel nicht zu vermeiden gewesen wären. Dazu
komme, daß seit etwa Jahresfrist auch in England die gewerbliche
Krisis an Heftigkeit zugenommen habe und daß durch die dortige
gewaltige Ueberproduktion und Anhäufung massenhafter Bestände,
die um jeden Preis auf den Markt gebracht werden müßten, die
Lage vieler Industriezweige in Deutschland sich wesentlich ver—
schlechtert habe. Bei Berathung der eingegangenen Anträge in
der Delegirtenversammlung des Centralverbandes gelangte jedoch
die Auffassung zum Durchbruch, daß es nicht zweckmäßig sei, von
dem im Jahre 1877 und bei den weiteren Berathungen des Tarif—
entwurfes von den Vertretern der verschiedenen Industrien ge—
schlossenen Kompromisse und von der durch die Aufstellung des
Tarifes gewonnenen Grundlage abzuweichen, und daß es demnach
zweckmäßig sein würde, die eingegangenen Abänderungsanträge
der Tarifkommission lediglich zur Kenntnißnahme und eventuellen
Berücksichtigung zuzuweisen. Von dieser Ansicht ausgehend,
wurde der folgende, von dem Vorsitzenden, Geh. Kommerzienrath
Schwartzkopff, Geh. Kommerzienrath Dr. Websky und Direktor
Russell eingebrachte Antrag einstimmig angenommen:
„Wenngleich der Centralverband den im Jahre 1877 ent—
worfenen autonomen Tarif von vornherein nur als einen interi—
mistischen, nach Maßgabe der industriellen Enquete eventuell einer
Revision zu unterziehenden Entwurf aufgestellt hat, so befindet sich
der Centralverband doch gegenwärtig nicht in der Lage, über die
von verschiedenen Seiten eingelaufenen Abänderungsanträge end—
gültig Beschluß zu fassen. Die Versammlung ersucht daher das
Direktorium, diese Anträge der Tarifkommission zur Prüfung und
eventuellen Berücksichtigung neben den Ergebnissen der Enauete—
kommission zu überreichen.“
Die Gegner des Centralverbandes waren bestrebt gewesen, in
der öffentlichen Meinung die Ansicht zu verbreiten, daß die In—
dustriellen, nachdem die Reichsregierung und die Mehrheit des
Reichstages sich mehr auf ihre Seite gestellt hatten, weit über die
Forderungen hinausgehen würden, die sie in einer Zeit gestellt hatten,
in der wenig Aussicht auf deren Erfüllung vorhanden gewesen war.
Man hatte geglaubt, daß, wie es in der Presse vielfach hieß, der