2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 429
12177 Doppelcentner eingeführt worden seien. Den Rückgang der
deutschen Wollerzeugung führte Referent nicht sowohl auf den Rück—
gang der Wollenpreise als auf die zunehmende intensivere Bewirth—
schaftung der ländlichen Grundstücke, auf die mehr auf die Erzeugung
von Fleisch hinzielende veränderte Richtung der Schafzucht und die
damit verbundene Veränderung der Qualität der erzeugten Wolle
zurück. Der Referent beantragte, daß der Ausschuß des Central—
verbandes eine gegen die Einführung des Wollzolles gerichtete Ein—
gabe an die Reichsregierung unterstützen möge. Der Korreferent,
Fabrikbesitzer Reichardt aus dem Elsaß, schloß sich den Ausführungen
des Referenten an. Der Geschäftsführer Beutner glaubte ver—
sichern zu dürfen, daß die Forderung eines Zolles auf Rohwolle
bei der Regierung keine Unterstützung finden würde, er wies darauf
hin, daß von dem Direktorium des Centralverbandes bereits im
vergangenen Jahre eine Petition gegen die Einführung des Woll—
zolles an den Reichskanzler abgefertigt worden sei. Das Direktorium
habe aber doch geglaubt, die Angelegenheit dem Ausschusse nochmals
vorlegen zu sollen, weil dieser noch nicht in der Lage gewesen sei,
Stellung zu derselben zu nehmen. Kommerzienrath Haßler hob
hervor, daß in diesem Falle das Interesse der Industrie ein so
einheitliches gewesen sei, daß das Direktorium sich für verpflichtet
erachtet habe, auch ohne Zustimmung des Ausschusses energisch
gegen die Einführung eines Wollzolles vorzugehen. Der Ausschuß
faßte hierauf einstimmig folgenden Beschluß:
„Der Ausschuß heißt das Verfahren gut, welches das
Direktorium in dieser Frage eingeschlagen hat und wünscht, daß
dasselbe in diesem Sinne fortfährt.“
Die Streichgarnspinner, ganz besonders diejenigen im west—
lichen Deutschland, hatten schwer unter der belgischen Konkurrenz
zu leiden. Bis zum Jahre 1862 hatte der Zoll auf Streichgarn
48 Mark für 100 kg betragen. Dann war er mit einem Schlage
auf 3 Mark herabgesetzt worden. In Belgien betrug der Zoll
etwan 15 Mark. Die belgischen Streichgarnspinner waren den
deutschen überlegen, weil sie unter uneingeschränkter Ausnutzung
der Arbeit von Kindern, jugendlichen Arbeitern und Arbeiterinnen
unausgesetzt Tag und Nacht arbeiteten, dadurch das Betriebs—
kapital besser ausnutzen und daher wesentlich billiger als die
deutschen Spinner produziren konnten. Im Tarif von 1879 war
der Zoll für rohe weiße Streichgarne auf 6 Mark, für gefärbte ꝛc.