2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 475
langende Getreide die Gestaltung des Weltmarktpreises und damit
auch den Inlandspreis in Deutschland beeinflusse, und ferner, daß
diese Beeinflussung die ganz gleiche sein würde, wenn dem vor—
liegenden Vertrage gemäß auch Rußland der ermäßigte Vertrags—
tarif für seine Getreideausfuhr bewilligt werde. Diesen Beweis
glaubte der Referent erbracht zu haben; er schloß daher diesen
Theil seines Referats, indem er bemerkte, er meine, daß, wenn
die Industrie in ernster Weise, wie sie es in der vorliegenden
Resolution ausspreche, die Annahme des Vertrages fordere, sie
nicht leichten Herzens einen Bruch zwischen sich und ihrer alten
Genossin im Kampfe um die nationale Wirthschaftspolitik vollziehe.
Der Ernst der Lage müsse jedoch im vollen Umfange ge—
würdigt werden. Er befürchte aber, daß auf der anderen Seite
die Frage leichter behandelt werde. Ihm habe vor einigen Tagen
einer der hauptsächlichsten Führer der agrarischen Bewegung gesagt:
„Sowie der russische Vertrag angenommen wird, beantworten wir
das mit Anträgen auf Ermäßigung oder Beseitigung der Industrie—
zölle.“ Er meine, daß dieser Herr wohl die Frankfurter Zeitung
vom 19. Januar nicht gelesen habe. Dort sei schon eine Jubelhymne
darüber angestimmt worden, „daß das Bündniß der industriellen
und agrarischen Schutzzöllner, auf dem die ganze Schutzzollpolitik
seit 1879 beruhe, beim russischen Handelsvertrag in die Brüche
gegangen wäre.“ Bei Ausstoßung jener Drohungen sei wohl nicht
bedacht worden, daß die Landwirthschaft doch noch einen Zoll
von 3,50 Mark, der von vielen höchst bedeutenden und verständigen
Landwirthen als ausreichend erachtet werde, zu vertheidigen habe.
Sein hochverehrter Freund Möller habe bei Mittheilung jener
Drohung gemeint, es werde wahrlich ein erhebendes Bild sein,
wenn der betreffende Herr Arm in Arm mit Eugen Richter und
Bebel gegen die Industriezölle kämpfen werde. Bei diesem
Bündniß würde er später wohl auch den Verlust seiner landwirth—
schaftlichen Zölle zu beklagen haben.
Der Referent führte dann weiter aus, daß die Landwirthe
bei der ganzen Sachlage nicht vergessen sollten, wie damals, im
Jahre 1879, als ihre Schutzzölle in Frage gekommen seien, die Haupt—
arbeit schon von der Industrie gethan gewesen sei, in Bearbeitung
der öffentlichen Meinung derart, daß aus den Wahlen von 1878 ein
Reichstag hervorgegangen sei, der die nationale Wirthschaftspolitik des
Fürsten Bismarck durchgeführt habe. Den schweren Kampf aber, den