Einleitung: Politik und Zoll- u. Handelsgesetzgebung. 13
Eingangszölle allmählich ganz zu beseitigen, ließen diesen Vertrag
unzweifelhaft als den Vorläufer einer noch festeren Vereinigung er—
scheinen. Er erregte daher auch großes Aufsehen und freudige
Hoffnung bei Allen, die den trostlosen handelspolitischen Zustand
in. Deutschland beklagten und eine günstige Wendung sehnlichst
wünschten. Andererseits erfüllte er die Sonderbündler des mittel—
deutschen Vereins mit arger Sorge wegen der weiteren Folgen.
Sie äußerte sich zunächst in heftigen Anklagen gegen Preußens
Uebergriffe und Streben nach der Alleinherrschaft in Zollangelegen—
heiten. Daneben fand aber doch die Ueberzeugung allmählich
Eingang, daß die praktische Lebensthätigkeit der beiden großen
Vereine den Bestand des haltlosen, sich nur in der Negative
bethätigenden mitteldeutschen Vereins mit der Zeit unmöglich
machen werde. Darum hielten es die Leiter des Vereins
und auch einzelne Mitglieder desselben für angebracht, offen
oder versteckt Verhandlungen mit der einen oder der anderen
der beiden großen Vereinigungen anzuknüpfen. Die nörd—
lich gelegenen Mitglieder der mitteldeutschen Vereine, Hannover,
Braunschweig, Oldenburg und Bremen, denen sich Kurhessen aus
Preußenhaß zugesellte, hatten nur Interesse am Handel und dem—
gemäß an der thunlichst uneingeschränkten Einfuhr ausländischer
Industrieerzeugnisse. Sie widerstrebten daher der Ausbreitung jedes
abgeschlossenen, auf die Hebung der deutschen Industrie ge—
richteten Zollsystems. Als diese Staaten wahrnahmen, daß die
Nothwendigkeit des Anschlusses an die große Vereinigung und
demgemäß direkt an das preußische System von den Zwischen—
staaten immer mehr erkannt wurde, gingen sie sogar dazu über, die
Bildung eines besonderen Zollvereins unter sich auf vollkommen
freihändlerischer Grundlage zu vereinbaren. Diese Vereinbarung
ist nicht verwirklicht worden, sie war aber der Vorläufer der Auf—
lösung des mitteldeutschen Vereins. Die Auflösung wurde that—
sächlich durch den Anschlußvertrag vollzogen, den Kurhessen unter
dem 25. August 1831 mit Preußen abschloß. Er war nach langen
vergeblichen Verhandlungen nur durch den inzwischen erfolgten
Regierungswechsel in Kurhessen ermöglicht und unter Bruch des
mitteldeutschen Vertrages vollzogen worden. Vorher hatte Preußen
freilich bereits ähnliche Verträge mit dem Fürstenthum Reuß
jüngere Linie, mit Sachsen-Koburg und Sachsen-Meiningen ab—
geschlossen. Ein weiterer Vertrag mit Sachsen-Weimar folgte.