2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 547
Der Geschäftsführer berichtete ferner über die in zolltarifarischer
Hinsicht unbefriedigende Lage der Fahrradindustrie. In dieser In—
dustrie seien in Deutschland 150 Werke mit rund 40 000 Alrbeitern
und 80 000 000 Mark Anlagekapital beschäftigt. Andere Nationen
hätten irgend einen Weg gefunden, ihre Fahrradindustrie durch
Zölle zu schützen. Beispielsweise würden in Frankreich die Fahr—
räder unter „Carosserie“, in Oesterreich unter „Personenwagen
ohne Leder und Polsterarbeit“ verzollt. Dadurch seien Zölle von
5 45pCt. vomWerthe geschaffen worden. In den Vereinigten Staaten
werde sogar, bei dem Durchschnittswerthe von 250 Mark für das
Fahrrad, ein Zoll von 112,50 Mark für das Stück erhoben. In
Deutschland sei nichts Derartiges geschehen; Fahrräder würden als
Eisenwaaren mit 24 Mark für den Doppelcentner verzollt, das mache
bei einem Gewicht von ungefähr 24 Pfund einen Zoll von
3 Mark auf das Fahrrad oder vom Werthe berechnet, einen Zoll
von nur 1pCt. Die Fahrradindustrie habe sich besonders groß—
artig in Amerika entwickelt. Die dortigen, ungefähr 500 Fahrrad⸗
fabriken, erzeugten vielmehr Fahrräder, als der Bedarf im In—
lande aufzunehmen vermöge, daher seien jene Fabriken bemüht,
ihre Ueberproduktion im Auslande abzusetzen, und überschwemmten
bei dem niedrigen Zoll vorzugsweise den deutschen Markt.
Infolge dessen hätten sich die Fahrradfabriken an den Centralverband
gewendet mit dem Ersuchen, eine dahingehende Petition zu unter—
stützen, daß auch in Deutschland irgend ein Weg gefunden werden
möge, um ihnen einen wenigstens einigermaßen ausgiebigen Schutz
zu gewähren. Diese vom Centralverband unterstützte Bitte sei ver—
gebens gewesen. Es seien am 1. Januar 1898 zwar Abänderungen
im Amtlichen Waarenverzeichniß hinsichtlich der Fahrräder vor—
genommen worden, die aber lediglich Fahrradtheile beträfen und keine
zolltarifarische, sondern nur eine statistische Bedeutung hätten. Der
Geschäftsführer gab seinem lebhaften Bedauern darüber Ausdruck,
daß es nicht gelungen sei, der deutschen Fahrradindustrie in dieser
Beziehung Hilfe zu schaffen.
Es wurde sodann die Beunruhigung zur Sprache gebracht,
die in der Wollen-Industrie durch eine vom Staatssekretär
des Innern im Reichstag bei Gelegenheit der Erörterung des
Gesetzes, betreffend die Postdampferverbindungen mit überseeischen
Ländern, gemachte Aeußerung hervorgerufen worden war. Bei
Berathung dieses Gesetzes stellte die Landwirthschaft die Forderung,
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