2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- un Zollpolitik. 563
führer zu beauftragen, in einer Denkschrift die Gründe für und
gegen die Aufstellung eines einfachen oder Doppeltarifes in aus—
führlicher und objektiver Weise darzustellen.
Die zweite allgemeine Angelegenheit betraf einen Antrag des
Centralvereins deutscher Wollenwaarenfabrikanten. Er verlangte,
daß bei dem Abschluß neuer Handelsverträge die sogenannte „Meist—
begünstigungsklausel“ gegenüber den Staaten mit autonomer Tarif—
politik, wie beispielsweise Amerika, nicht zur Anwendung gelange.
Dieser Antrag wurde zurückgezogen und war damit erledigt.
Bei der sehr eingehenden Behandlung der Anträge zu den
einzelnen Zollsätzen traten vielfach Gegensätze hervor, die ihren
Grund in auseinandergehenden Interessen hatten. Die Versammlung
kam daher zu der Entschließung, über diese Interessengegensätze nicht
durch Mehrheitsbeschluß zu entscheiden. Diese Haltung der Ver—
sammlung war beeinflußt von der Annahme, daß es doch noch
möglich sein könnte, im Laufe der Zeit eine Verständigung zwischen
den sich gegenüberstehenden Interessentengruppen herbeizuführen,
und daß es bei dem damaligen Stande der Sache zunächst darauf
ankomme, alle Anträge und Wünsche der vom Centralverbande ver—
tretenen Industrien zur Kenntniß der mit Aufstellung der Vorlage
für den Bundesrath beschäftigten Regierungsstelle zu bringen.
Bezüglich zweier Positionen des Zolltarifes wurde jedoch eine
Ausnahme gemacht. Zunächst war die Versammlung einstimmig
der Ansicht, daß für Roheisen der Zoll von 1 Mark für 100 kg
als Minimum unter allen Umständen erhalten bleiben müsse.
Dabei war die Versammlung von folgenden Erwägungen geleitet
worden. Der Roheisenzoll bildet die Grundlage der Eisenzölle
überhaupt. Die auf Ermäßigung bezw. Abschaffung dieser Zölle
gerichteten Bestrebungen haben immer mit der Forderung eingesetzt,
den Roheisenzoll zu ermäßigen oder gänzlich zu beseitigen. So war
auch in der letzten Freihandelsperiode verfahren worden. Der
Minderung und gänzlichen Abschaffung des Zolles auf Roheisen
war die verhängnißvolle Aufhebung aller Eisenzölle gefolgt. Die
Eisenindustrie verlangte, abgesehen von einzelnen Spezialitäten, bezüg—
lich welcher der gegenwärtige Zoll wegen der summarischen Zusammen—
fassung verschiedener Erzeugnisse in eine Position der feineren, ver—
mehrten und deswegen kostspieligeren Arbeit nicht entsprach, im
großen und ganzen keine Erhöhung der bestehenden Zölle. Diese
aber wollte sie behalten und mußte daher in erster Linie auf dem
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