2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 565
Noth, den bedingungslosen Freihandel, zu wenden und das Hülfs⸗
mittel, den maßvollen schutzzöllnerischen Tarif, zu erstreben. Solche
Einmüthigkeit herbeizuführen, war dem Centralverband trotz vieler
und ernster Bemühungen jetzt nicht gelungen. Durch die frühzeitig
veröffentlichten weitgehenden Forderungen einer einzelnen Gruppe
von Baumwollspinnern waren die Verbraucher von Baumwollgarnen
in allen Zweigen der Weberei beunruhigt worden. Dieser Stimmung
bemächtigte sich die freihändlerische Agitation. Es gelang ihr, die
Garnverbraucher zu organisiren, die nun nicht allein Widerspruch
gegen die Wiederherstellung der durch den Handelsvertrag mit der
Schweiz ermäßigten Sätze des autonomen Tarifes für feinere
Baumwollgarne erhoben, eine Forderung, mit der sich die maß—
gebenden Kreise der deutschen Baumwollspinnerei begnügten, sondern
sogar eine Ermäßigung der Sätze des autonomen Tarifes
um die Hälfte für alle Garne verlangten. Bei dieser Sachlage
war eine Brücke zur Verständigung nicht mehr zu finden. Weniger
schroff waren die Gegensätze auf dem Gebiete der Wollenindustrie.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß bei der Aufstellung des auto—
nomen Tarifes 1879 die Anträge der Wollenspinner nur ganz
ungenügende Beachtung gefunden hatten und daß infolge dessen die
Wollspinnerei nicht die erforderliche Entwicklung und Prosperität
hatte finden können. Von dieser Seite war daher nicht nur eine
andere Art der grundlegenden Klassifizirung der Wollengarne,
sondern auch eine Erhöhung der Zollsätze verlangt. Die Weber
waren in einer speziell zu dem Zwecke einer Verständigung vom
Centralverbande anberaumten Versammlung geneigt gewesen, in
gewissem Grade entgegenzukommen, indem sie einer kleinen Er—
höhung der Garnzölle zustimmten. Das Zugeständniß wurde jedoch
von den Spinnern nicht als genügend erachtet. Deswegen konnte
eine förmliche Verständigung nicht erzielt werden. Es war jedoch
die Hoffnung nicht ausgeschlossen, daß es im weiteren Verlaufe der
Verhandlungen über die Zollsätze möglich sein würde, die Einigung
doch noch herbeizuführen. Auch in der Eisen- und Stahlindustrie
waren Gegensätze zwischen den Verbrauchern und Erzeugern von
Halbfabrikaten hervorgetreten. Die Beseitigung dieser Gegensätze
wäre wohl gelungen, wenn nicht inzwischen die mächtig aufsteigende
Konjunktur thatsächlich Schwierigkeiten für die Verbraucher von
Halbzeug herbeigeführt hätte. Ob im einzelnen Falle solche
Schwierigkeiten durch eigenes Verschulden wie durch unrichtige Be—