2. Ablschnitt: Arbeit des Centralverbandes. A. Handels- u. Zollpolitik. 609
Staaten eine gewisse Strömung gegen das der Prohibition
sehr nahestehende hochschutzzöllnerische System bemerkbar mache.
Diese Strömung gehe anscheinend hervor aus dem zunehmenden
Exportbedürfniß der durch die hohen Schutzzölle und die natürlichen
großen Hilfsquellen des Landes begünstigten und sehr schnell zu
einer gewissen Ausdehnung gelangten Industrie. Ferner sei diese
Strömung wohl mit erzeugt durch die Entwicklung der sogenannten
Trusts und drittens durch die in neuester Zeit entstandenen handels—
politischen Verwickelungen mit Rußland, die den Charakter eines
Zollkrieges anzunehmen schienen. Die Versammlung der hochschutz-—
zöllnerischen National Association of Manufacturers in Detroit
habe eine Resolution gefaßt, in der ausgesprochen worden sei, daß
Schutzzölle nur denjenigen Industrien und Gewerben gewährt werden
sollten, die ihrer ganz entschieden bedürften, und daß durch Schutz⸗
zölle keineswegs die monopolistischen Ausschreitungen der Trusts
begünstigt werden sollten. Diese Trusts, so führte der Geschäfts—
führer aus, seien in keiner Weise zu vergleichen mit den in Deutsch⸗
land bestehenden industriellen Vereinigungen, Konventionen und
Syndikaten, denn die Trusts in Amerika seien großkapitalistische
Spekulationen, die sich darin äußerten, daß sie die verschiedenen
bis dahin selbständigen Betriebe einer Branche so weit als thunlich
aufkauften, in einer Hand vereinigten, oder, wie der amerikanische
Ausdruck dafür laute, unter Kontrole nähmen, und daher in der
Lage seien, die Preise auf dem inländischen Markt ganz nach
Belieben in die Höhe zu schrauben und den Ueberschuß der
Erzeugung zu Schleuderpreisen in das Ausland zu werfen. Ein
Beispiel dieser amerikanischen Trusts sei der sogenannte Stahltrust,
der mit einem Kapital von über 5 Milliarden Mark gebildet
worden sei. Die deutschen Syndikate seien Vereinigungen voll—
ständig selbständiger Unternehmungen, die zunächst die Regelung
der Produktion, die Regelung des Absatzes und durch diese beiden
Mittel auch die Verhinderung zu großer Preisschwankungen im
Auge hätten.
Am 19. November 1901 war der Entwurf eines Zolltarif⸗
gesetzes mit Zolltarif für das Deutsche Reich als Vorlage des
Bundesrathes bei dem Reichstage eingebracht worden. Von dem
Organ des Centralverbandes, der „Deutschen Industrie-Zeitung,“ wurde
sofort eine neue, die vom Bundesrath vorgenommenen Aenderungen
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