Full text: Erster Band (1. Band)

30 Der Centralverband 1876 — 1901. 
Welt eingebürgert; sie bedurfte nur für die feineren Waaren eines 
Schutzes. Die bayerischen, fast ohne Ausnahme juristisch aus— 
gebildeten Beamten, standen im allgemeinen volkswirthschaftlichen 
Interessen ziemlich fern. Das entscheidende Moment für die Stellung 
der bayerischen Regierung in der Schutzzollfrage lag in der Per⸗ 
sönlichkeit des Regenten. An und für sich weder ein Freund der 
Industrie noch ihrer Vertreter, betrachtete er dieselbe gleichwohl als 
die nothwendige Grundlage jeder nationalen Größe, und von diesem 
Standpunkte aus entschied er sich, wie im Jahre 1833 für den Zoll— 
verein, so nunmehr auch für die Schutzzolltheorie. 
Im Großherzogthum Hessen waren keine entscheidenden in— 
dustriellen Interessen vorhanden, dennoch neigte die Regierung 
mehr den Anschauungen der anderen süddeutschen Regierungen 
zu In den Thüringischen Staaten war der Einfluß Preußens 
auf die Entschließungen dieser Vereinsgruppe so maßgebend, daß 
deren Stimme am Ende stets für Preußen gerechnet werden konnte. 
Den preußischen Anträgen standen die Anträge von Bayern, 
Württemberg und Baden gegenüber, die im allgemeinen auf 
eine Zollerhöhung für alle Gespinnste, also auch für Wollen— 
garn, für das Preußen gar keine Zollerhöhung als zulässig er— 
achtete, auf 5 Thlr. und Gewährung eines Rückzolles von 3 Thlr 
für alle Gewebe gerichtet waren. Bei der entschiedenen Parteistellung 
der einzelnen Regierungen konnte von einer Verständigung nicht die 
Rede sein. Nach langen lebhaften und theilweise erregten Ver— 
handlungen verlief die Konferenz vollständig resultatlos. Mit un— 
berkennbarer Befriedigung betrachteten die Vertreter der ausländischen 
Konkurrenz, die sich in und um Karlsruhe versammelt hatten, dieses 
kraurige Schauspielinnerer Meinungsverschiedenheiten im Zollverein, die 
sie bereits als ein Symptom seines Zerfalles darzustellen sich bemühten. 
Die damaligen Verhältnisse charakterisirt treffend ein an sich 
unscheinbarer Vorgang. Als das negative Resultat der Konferenz 
bekannt wurde, lud der englische Gesandte alle Konferenzbevoll— 
mächtigten zu einem großen Diner im Gasthause zum Englischen Hofe 
in Karlsruhe ein, obgleich ihn der badische Minister von Dusch 
auf das Unpassende eines solchen Schrittes aufmerksam gemacht 
hatte. Die sämmtlichen Bevollmächtigten hatten den guten Takt, 
die Einladung abzulehnen.“) 
*) Weber ꝛc. S. 229.
	        
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