Full text: Zweiter Band (2. Band)

132 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
kollege Dr. Gneist hielt die Reichsversicherungsanstalt für angemessen 
und unentbehrlich, jedoch nur in Konkurrenz mit den freien 
Privatversicherungsanstalten. Für diese verlangte er die Auf— 
stellung von Normativbedingungen und ferner, daß sie die 
Rentenzahlungen durch Kapitaldeckung bei öffentlichen Kassen 
sicher stellen sollten. Die Reichsanstalt sollte nur zur Ergänzung 
bezw. zur Rückversicherung für die Privatgesellschaften dienen. 
Der Abgeordnete Stümm erklärte sich zwar mit ihr einver— 
standen, verwahrte sich aber dagegen, daß die Zustimmung zu der 
Reichsversicherungskasse zu der Annahme berechtigen könnte, als 
wenn die Invaliden- und Altersversicherung, deren Einführung er 
nach wie vor warm befürworte, auf demselben Wege erreicht werden 
könnte. 
Der Reichskanzler bezeichnete die Uebernahme der Ver— 
sicherung durch den Staat als das unumgängliche Korrelat des 
Versicherungszwanges. 
Am entschiedensten gegen die Reichsanstalt trat der Centrums— 
abgeordnete Freiherr Dr. von Hertling auf. Seine auf allgemeinen 
politischen Erwägungen beruhenden Schlußbemerkungen ließen 
deutlich erkennen, daß der Hauptgrund seines Widerspruches gegen 
die Reichsversicherungsanstalt in der Besorgniß vor einer Stärkung 
der Centralgewalt liege. 
Der Versicherungszwang wurde zunächst von denjenigen Ab— n 
geordneten zurückgewiesen, die mit Entschiedenheit Stellung für den 
Fortbestand der Privatgesellschaften genommen hatten. Bamberger 
freilich wollte sich nicht unbedingt gegen den Versicherungszwang i 
aussprechen, ihn vielmehr indirekt durch die möglichst weite Aus— 
dehnung der Haftpflicht herbeiführen. Eine derartige Ausdehnung 
würde wie ein Zwang auf die Arbeitgeber zur Versicherung wirken. : 
Richter sprach sich entschieden gegen den Zwang aus. n 
Ganz im Gegensatz zu ihm erklärte Dr. Gneist, daß den A 
industriellen Arbeitern nur durch Einführung des Versicherungs— u 
zwanges zu helfen sei. Auch der Abgeordnete Stumm äußerte all 
sich in demselben Sinne, indem er bemerkte, es sei dem Abgeord— u 
neten Richter ebensowenig wie dem Abgeordneten Bamberger ge— 
lungen, „die Nothwendigkeit eines staatlichen Zwanges, wenn über— 
haupt auf diesem Gebiete etwas Praktisches gethan werden solle, in 
auch nur abzuschwächen und je tiefer wir uns in diese Materie 
hineinversetzen. desto entschiedener werden wir, die Ver—
	        
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