302 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
eingehenden Verhandlungen gelungen war, die maßgebenden Per—
sonen in der Reichsregierung zu überzeugen, wie verhängnißvoll
es, bei der immer stärker hervortretenden sozialdemokratischen Be—
wegung, sein würde, den Arbeitern eine gesetzliche Organisation zu
geben, wie sie in dem Gesetzentwurf in der Form der Arbeiteraus—
schüsse in Aussicht genommen war. In der dritten Lesung“) wurde
der 8 41 ohne Diskussion und ohne daß ein Vertreter der Reichs—
regierung das Wort ergriffen hatte, in der Fassung der Kommission
des Reichstages angenommen.
Die Berufsgenossenschaften selbst waren für bestimmte Bezirke
zu bilden und sollten innerhalb dieser alle Betriebe derjenigen
Industriezweige umfassen, für welche sie errichtet wurden. Nach
Maßgabe der Verhandlungen im Reichstage war aber unter
„bestimmten Bezirken“ auch das ganze Reichsgebiet zu verstehen.
Zur Entscheidung über die dem Schiedsgericht entzogenen,
den Versicherungsanspruch betreffenden Streitigkeiten sowie in ge—
wissen Fällen zur Entscheidung über den Versicherungsanspruch in
zweiter und letzter Instanz, endlich zur ausschließlichen Entscheidung
über zahlreiche, in den einzelnen Paragraphen aufgeführte Streitig—
keiten, die sich aus dem Versicherungsrechte sonst ergeben könnten,
war im dritten Entwurf das Reichsversicherungsamt vorgesehen.
Dieses hatte, außer seinen richterlichen Aufgaben, auch bei der
Organisation der Berufsgenossenschaften mitzuwirken und über die—
selbe als einzige und oberste Aufsichtsstelle zu wachen. Das Reichs—
versicherungsamt sollte demgemäß gleichzeitig oberstes Gericht und
oberste Verwaltungsbehörde in Angelegenheiten der Arbeiter—
versicherungen sein. Die Besetzung des Reichsversicherungsamts
war wie folgt angeordnet. Neben mindestens drei ständigen auf
Vorschlag des Bundesraths vom Kaiser zu ernennenden Mitgliedern
sollten acht nicht ständige Mitglieder, zur Hälfte vom Bundesrath aus
seiner Mitte, zur anderen Hälfte aus den Genossenschaftsvorständen
und Arbeitervertretungen je aus ihrer Mitte, gewählt werden.
Ueber die Form des Verfahrens bei diesem Amte war in dem Ge—
setz wenig gesagt worden; es überließ die Verfügung in dieser Be—
ziehung zumeist der Kaiserlichen Verordnung. Demgemäß erging
am 5. August 1885 eine solche Verordnung, betreffend die Form
*) Stenogr. Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags,
V. Legisl.-Periode, 4. Session 1884, Band 2, S. 326.