2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 411
wünschenswerth, daß in Zukunft nur das zwischen dem Arbeitgeber
und Arbeiter stehende Gesetz maßgebend sein sollte für die dem
Arbeiter in der Nothlage zu gewährende Fürsorge; denn das
Gesetz sei kein Ausgleich, keine Ueberbrückung des gesetzlichen Unter—
schiedes beider Klassen, es mache diesen Unterschied leicht noch
schroffer. Das Gesetz würde bei dem guten Arbeiter — der
schlechte nehme überhaupt keine Belehrung an — das Gefühl der
Dankbarkeit dem Gesetzgeber gegenüber erregen. Damit würde
aber voraussichtlich eine Erkaltung des Verhältnisses zwischen dem
Arbeiter und dem Arbeitgeber eintreten, besonders wenn die bisher
freiwilligen, von dem Arbeitgeber getragenen Lasten, kraft gesetz—
lichen Zwanges nicht mehr von ihm, sondern von einer großen
Gemeinschaft ausgingen, welcher der Arbeiter an sich vollkommen
fernstehen Daher sollten die Industriellen um den in
den großen Industriebezirken glücklich noch bestehenden
Frieden zwischen Arbeitern und Arbeitgebern zu erhalten,
nicht aufhören, die Fürsorge für ihre Arbeiter als ihre
Pflicht zu erachten Das sollte gesagt sein, um dem
Geiste Ausdruck zu geben, in dem der Centralverband
an dieser Gesetzgebung mitarbeite. Es müsse gesagt sein
trotz mancher Anfeindungen und trotz der so übertriebenen
Anforderungen derer, denen die Lasten der sozialpolitischen Gesetz—
gebung nicht an den eigenen Geldbeutel gehen, aber auch um dem
Wunsche Ausdruck zu geben, daß man bei der die Alters- und
Invalidenversicherung betreffenden Gesetzgebung Vorsicht walten
lassen und bei den der Industrie aufzulegenden Leistungen vorläufig
nicht zu weit gehen möge.
Jencke glaubte bestimmt vorhersehen zu können, daß diese
Ausführungen der Agitation innerhalb und außerhalb des Reichs—
tages reichen Stoff bieten würden. Den Agitatoren möchte er
aber doch zu bedenken geben, daß Wohlthaten austheilen
ja etwas sehr Schönes sei, aber sich in Wohlthaten über—
hieten, das sollten doch eigentlich nur die thun, die,
wenn es an das Zahlen komme, nicht nur mitrathen,
sondern auch mitthaten. Jencke schloß diesen Theil seines
Referats mit der Mahnung, die Selbstkosten der Industrie
nicht ohne Noth enorm zu steigern, sich auch nicht bei Be—
messung der Lasten von der zur Zeit günstigen, jedoch er—
fahrungsgemäß stets dem Wechsel unterworfenen Geschäftslage