2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 427
zur Erlangung einer Entschädigung auf Grund der Unfallversicherung
drängten, und der großen Zahl derer, die sich durch Simulation
in den Genuß einer Rente brächten. Er sei überzeugt, daß die
Gefahr der Simulation bei der Invaliden- und Altersversicherung
noch viel größer sein werde, als bei der Unfallversicherung. Daher
thue man mit dieser Versicherung einen Schritt ins Dunkle. Der
Redner stellte eine Berechnung auf, um zu zeigen, wie außerordent—
lich groß im Verlaufe der Jahre die Belastung werden würde, wenn
die, bezüglich des vorliegenden Gesetzes von der Regierung gegebenen
Voranschläge ähnlich, wie bei der Unfallversicherung, überschritten
würden. Mit diesem Nachweise wolle er durchaus nicht den Erlaß
des Gesetzes verhindern. Er habe ihn nur gebracht, um darauf zu
dringen, daß die Rentenbemessung in der ersten Zeit so mäßig wie
möglich gemacht werde. Dies hier festzustellen, habe er sich im
Interesse der Industrie für verpflichtet gehalten, damit später nicht
eine Berufung auf die unbegrenzte Zustimmung der Industrie
erfolgen könne, wenn die Belastung von dem Erwerbsleben der
Nation nicht getragen werden könne. Er hoffe und wünsche, daß
der Wechsel, den die Industrie durch Zustimmung zu der Alters—
und Invalidenversicherung ausstelle, von dieser auch eingelöst
werden könne, und daß es dieser auch gelingen möchte die
Schwierigkeiten bei der Einlösung dieses Wechsels zu überwinden.
Das Maß des voraussichtlich Erreichbaren dürfe nicht über—
schritten werden.
Möller-Brackwede wollte im Sinne des Vorredners der
Nummer 8 noch eine schärfere Fassung geben. Als Beispiel des
Anwachsens der Belastung theilte er mit, daß eine Bergwerks—
gesellschaft an Steuern, Knappschaftsgefällen, Verhütung von Unfall—
und anderen Gefahren im Jahre 1873 die Summe von 129800 Mark
gleich 5,78 pCt. des Reingewinnes, im Jahre 1888 aber 741000 Mark
gleich 40,99 pCt. des Reingewinnes zu leisten gehabt habe. Diese
Zahlen sollten zur Vorsicht bei der Auflegung neuer Lasten mahnen.
Die zur Alters- und Invalidenversicherung zu leistenden Beiträge
betrachte er aber nicht als das Schlimmste. Die größere Gefahr
erblicke er in dem Anreiz die Arbeitskräfte weniger auszunutzen,
stille zu sitzen, während noch gearbeitet werden könnte und sollte.
Darunter würde die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie leiden, die
nur bestehen könne, wenn sie Aussicht auf erheblichen Export habe.
Daher sei ein viel wichtigeres Moment, als die Erhebung von