2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 439
gab denjenigen Bestimmungen des Gesetzes, die das Verhältniß der
Kassen zu einander regeln, durchweg eine jeden Zweifel darüber aus—
schließende Fassung, daß jeder Versicherungspflichtige, mit Ausnahme
der Mitglieder der eingeschriebenen und sonstigen Hilfskassen, der
Krankenkasse angehören sollte, die für die Beschäftigung, in der er
stehe, errichtet sei.
Im einzelnen enthielt die Novelle eine große Anzahl von
Abänderungen, die allerdings vielfach nur redaktioneller Art
waren. Diese waren nothwendig, weil die Fassung häufig sehr
scharf bemängelt worden war und zu zahlreichen Streitigkeiten
Veranlassung gegeben hatte. Diese Streitigkeiten waren umso be—
dauerlicher gewesen, als eine obere Instanz gefehlt hatte, welche
für Einheitlichkeit der Rechtsprechung hätte Sorge tragen können.
Die materiellen Aenderungen werden noch weiter zu besprechen sein.
Die Novelle zum Krankenkassengesetz wurde nach Beendigung
der ersten Berathung am 5. Dezember 1890 im Reichstage an
eine Kommission von 28 Mitgliedern verwiesen. Diese verwendete
20 Sitzungen auf die Erledigung ihrer Aufgabe und erstattete
ihren Bericht unter dem 17. März 1891.*)
Die Kommission hatte die Vorlage in wesentlichen Punkten
umgeändert. Nach ihren Beschlüssen war der hauptsächlichste Inhalt
der Novelle wie folgt gestaltet: Nach 8 1 sollte die Versicherungs—
pflicht, mit Ausnahme der Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken,
auf die im Handelsgewerbe und in dem Geschäftsbetriebe der
Anwälte, Notare und Gerichtsvollzieher beschäftigten Personen aus—
gedehnt werden, jedoch nur, wenn deren Arbeitsverdienst 62 Mark
für den Arbeitstag nicht übersteige und wenn nicht die Be—
schäftigung auf einen Zeitraum von weniger als einer Woche be—
schränkt sei. Die Kommission hatte den Kreis der Versicherungs—
pflichtigen unter denselben Voraussetzungen noch auf die in den
Geschäftsbetrieben der Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und
Versicherungsanstalten beschäftigten Personen erstreckt. Der 82
bezeichnete diejenigen Personen, die durch statutarische Bestimmungen
einer Gemeinde ꝛc. den Vorschriften des 8 1 sollten unterstellt
d
werden können. Es waren dies
*) Stenogr. Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags,
VIII. Legisl.-Periode, 1. Session 1890/91, Band 8, Anlage Nr. 381, S. 2330.