464 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
füllung der Versicherungspflicht durch Theilnahme an freien
Kassenbildungen würde nur unter der Voraussetzung zulässig ge—
wesen sein, daß diese ihren Mitgliedern das Mindestmaß der
Unterstützung voll gewährten, welches das Gesetz den Versicherungs—
pflichtigen gewährt wissen wollte und ferner, daß die Zulassung der
freien Kassen die allgemeine Durchführung der Krankenversicherung
nicht gefährde. Nach beiden Seiten entsprachen die Bestimmungen
des Gesetzes nicht vollständig den nothwendig zu stellenden An—
forderungen. Die Bestimmungen des 8 75 des Gesetzes gingen
zwar von diesen Grundsätzen aus, wichen aber von ihnen nach
zwei Richtungen hin ab.
Nach dem Gesetz waren die Mindestleistungen der freien Hilfs—
kasse nach dem Stande des Ortes zu bemessen, in dem die Kasse
ihren Sitz hatte. Hiernach blieb die Kassenunterstützung der Mit—
glieder einer freien Hilfskasse in allen denjenigen Fällen hinter dem
Maße der Unterstützung zurück, die von der Gemeindekranken—
versicherung des Beschäftigungsortes des Versicherten gewährt
wurde, in welchem der ortsübliche Tagelohn höher stand als
an dem Sitze der Hilfskasse. Dieses Verhältniß wurde von
den freien Hilfskassen gemißbraucht, indem sie den Sitz der Kasse
in einen Ort mit dem niedrigsten ortsüblichen Tagelohn verlegten
und danach das Krankengeld auch für solche ihrer Mitglieder be—
maßen, die in anderen Orten mit höheren ortsüblichen Tagelohn—
sätzen lebten und erkrankten. Dieser Zustand sollte durch die
Novelle geändert werden.
Von größerer Bedeutung war die zweite Abweichung von dem
Grundsatz gleicher Mindestleistung, der sich in dem 8 75 des Gesetzes
befand. Den Hilfskassen war nämlich gestattet an Stelle der freien
ärztlichen Behandlung und Arznei, welche die Gemeindekrankenver—
sicherung und alle anderen gesetzlichen Kassen gewähren mußten, eine
Erhöhung des Krankengeldes um die Hälfte des gesetzlichen Mindest—
betrages eintreten zu lassen. Schon bei der Berathung des Gesetzes
wurde behauptet, daß der von den freien Hilfskassen zu leistende
Zuschuß zum Krankengeld die Kosten der ärztlichen Behandlung
und Arznei nicht decke, daß demgemäß diese Bestimmung dem
mehrerwähnten Grundsatze nicht entspreche, vielmehr eine Be—
günstigung der freien Hilfskassen gegenüber den mit der Natural—
leistung belasteten gesetzlichen Versicherungskassen enthalte. Der
Begründung der Novelle zum Krankenkassengesetz war eine aus