Full text: Zweiter Band (2. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 481 
ansammlung, zu deren Gunsten der Industrie unausgesetzt die Er— 
sparnisse, die Mittel zur Entwicklung, zum Fortschritt und zum 
Aufschwung entzogen wurden. 
Der Centralverband hatte stets, auch schon bei der Entstehung 
dieser sozialpolitischen Gesetze, darauf verwiesen, daß sie dem Interesse 
der Gesammtheit des Staates, dem Gemeinwohle und nicht nur 
den Interessen der Industrie zu dienen bestimmt seien. Diese Auf⸗ 
fassung schien zu Anfang auch von den Verbündeten Regierungen 
g als vollberechtigt anerkannt zu werden. In dem ersten Gesetzentwurf 
wollten sie einen Theil der Kosten in Form von Beiträgen der 
Armenverbände, in dem zweiten durch einen Reichszuschuß auf die 
Gesammtheit der Staatsbürger übertragen. Unter dem lebhaften 
Widerspruch der betheiligten Kreise hatten die Verbündeten Re— 
gierungen diesen Standpunkt aufgegeben. Sie hatten sich dazu 
drängen lassen, die Kosten der Unfallversicherung dem Arbeitgeber 
voll und ganz aufzubürden. Ebenso unberücksichtigt war die nicht 
sowohl aus finanziellen, sondern wesentlich aus ethischen Gründen 
gestellte Forderung geblieben, daß auch den Arbeitern ein, wenn 
5 auch noch so kleiner Bruchtheil der Kosten unmittelbar zur Deckung 
auferlegt werden sollte. 
Bei der Entstehung des Gesetzes war auch die Frage lebhaft 
erörtert worden, in wie weit bei dem Eintritt eines Unfalls ein 
h Verschulden des Arbeiters zu berücksichtigen sei. Die Entscheidung war 
3 dahin gefallen, daß das Anrecht auf Entschädigung nur verloren gehen 
sollte, wenn der Arbeiter den Unfall absichtlich herbeigeführt habe. 
In allen anderen Fällen, selbst wenn grobes Verschulden seitens 
des Arbeiters vorliege, sollte der Anspruch auf Entschädigung voll 
bestehen bleiben. Es wurde vorausgesehen, daß ein solcher Zustand 
höchst ungünstig auf das Verhalten der Arbeiter der Unfallgefahr 
und den Verhütungsmaßregeln gegenüber einwirken werde. Daher 
war verlangt worden, daß nach Maßgabe des Verschuldens des 
Arbeiters bei der Herbeiführung eines Unfalles, eine unterschiedliche 
N Behandlung der Entschädigung einzutreten habe. Dieses Verlangen 
war unberücksichtigt geblieben. 
Eine weitere Frage betraf die Simulation, die nach un— 
trüglichen Zeugnissen einen erschreckenden, die Lasten ungemein er— 
schwerenden Umfang angenommen hatte. Jede Versicherung reizt 
die Begehrlichkeit der im allgemeinen eigensüchtig angelegten Meuschen, 
und diese Begehrlichkeit gelangt da stärker zum Ausdruck, wo der 
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