Full text: Zweiter Band (2. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 507 
Der Referent verwies auf das von dem Herrn Staatssekretär 
gebrauchte Wort ‚tabula rasa* und fuhr dann wörtlich fort: Ich 
sage auch: „Hätten wir ,tabula rasa und die Erfahrungen 
von heute und gingen jetzt an die Versicherungsgesetzgebung, so 
würden wir die Sache wahrscheinlich anders machen und würden 
von vornherein die sämmtlichen Zweige der Arbeiterversicherung 
zusammenlegen. Aber ich wiederhole nochmals, wir müßten auch 
die Erfahrung von heute haben, sonst nützt uns die tabuba rasa 
nichts. So aber bin ich der Meinung, daß man die drei Zweige 
der Versicherung auch ferner ruhig neben einander bestehen läßt und 
sein Bemühen darauf konzentrirt, jeden dieser Zweige weiter in 
sich auszubilden und zu verbessern. Selbstverständlich habe ich 
aber nichts dagegen einzuwenden, wenn, wie beabsichtigt, die für 
den einen Versicherungszweig bestehenden Schiedsgerichte auch für 
den anderen Zuständigkeit erhalten, wenn die Krankenkassen die 
Einziehung der Beiträge zur Invalidenversicherung übernehmen 
und dergleichen mehr. Derartige Bestimmungen beziehungsweise Er— 
leichterungen haben mit dem Wesen der Organisation nichts zu thun.“ 
In dem zweiten Theil seines Referats beschäftigte sich Jencke 
mnit der Frage der Vertheisung der Nentenlast nach den 
Bestimmungen des geltenden Gesetzes und denen des Entwurfs. 
In kurzen, treffenden Zügen gab er ein Bild von dem bestehenden, 
durch die gesetzlichen Bestimmungen geschaffenen Zustande. Die 
Organisirung der Invaliditäts- und Altersversicherung hätte sich 
hiernach so vollzogen, daß an Stelle der einen, vom Centralverband 
auf das dringlichste empfohlenen Reichsversicherungsanstalt 31 staat— 
liche Versicherungsanstalten, darunter 13 preußische, und 9besondere 
Kasseneinrichtungen, somit im ganzen 40 selbständig neben einander 
wirkende Versicherungsanstalten errichtet worden seien. Die Aus— 
gaben zweier dieser besonderen Kasseneinrichtungen hätten im 
Jahre 1895 wenig mehr als 20000 Mark betragen, während die 
Gesammtausgabe für Alters- und Invalidenrenten über 42 Millionen 
Mark betragen habe. Auf diese Thatsache weise er besonders hin 
um darzuthun, daß man, wie bei der Bildung der staatlichen Ver— 
sicherungsanstalten, so auch bei der Genehmigung der besonderen 
Kasseneinrichtungen, sich den Separationsgelüsten gegenüber zu 
nachgiebig erwiesen habe. 
Bei der hier vorliegenden Frage kämen vorzugsweise die 
gesetzlichen Bestimmungen in Betracht, die sich auf die Vertheilung
	        
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