2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 515
zichte darauf dem Centralverbande vorzuschlagen jetzt die Errichtung
einer Reichsversicherungsanstalt zu verlangen. Zunächst entstehe
aber die Frage, wieso man nur den Bruchtheil von der Belastung
und nicht die ganze Last auf die 40 Versicherungsanstalten ver—
theilen wolle. Nach der Begründung empfehle sich die Vertheilung
der ganzen Rentenlast nicht, „weil dann den einzelnen Trägern
der Versicherung kein genügender Grund zu sorgsamer Prüfung der
Rentenanträge und zu sparsamer Verwaltung bleiben würde“.
Diese Begründung erscheine hinfällig im Hinblick auf die in dem
Entwurfe vorgesehenen erweiterten Befugnisse des Staatskommissars.
Im übrigen werde nach den bisher aus den Kreisen der Ver—
sicherungsanstalten laut gewordenen Stimmen die Vertheilung von
der Last eher zur Freigebigkeit als zur Sparsamkeit anregen.
So habe die Norddeutsche Knappschaftspensionskasse in ihrer Denk—
schrift ausgeführt: „Die Kasse werde dann bestrebt sein müssen,
den Bestand ihres Vermögens aufs Aeußerste herabzumindern und
ihre weitere Entwickelung möglichst ungünstig zu gestalten, da
eine sparsame Verwaltung und eine günstige Gestaltung der Kassen⸗
verhältnisse die zu übernehmende Last ja nur vergrößere.“
Für die Vertheilung von nur der Belastung sei nach der
„Denkschrift“ die Absicht maßgebend gewesen, das Verhältniß des
Vermögensbestandes zu dem Deckungskapital der laufenden Renten
bei den einzelnen Anstalten schließlich als im großen und ganzen
nicht wesentlich verschieden zu gestalten. Eine Berechnung der
voraussichtlichen Entwickelung der Finanzlage der Versicherungs⸗
anstalten Ostpreußen, Berlin und Elsaß-Lothringen ergebe, daß
das erstrebte Resultat bei Vertheilung von drei Vierteln auf die
Gesammtheit erreicht werde.
Demgegenüber führte der Referent aus, daß gewichtige Gründe
sowohl gegen die Vertheilung der Gesammtlast wie auch eines
Bruchtheiles derselben auf die 40 Versicherungsanstalten sprächen.
Das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz sei durchaus nicht
populär; die hier besprochenen Maßregeln würden aber wesentlich
dazu beitragen, es noch unpopulärer zu machen. Denn der west⸗
fälische Bergmann, der hessische oder sächsische Arbeiter, oder der
badische Taglöhner würden es nie verstehen, wie sie dazu kommen
sollten, mit ihren Beiträgen dem ostpreußischen oder dem nieder—
bayerischen Bauern aufzuhelfen. Die genannten Arbeiterklassen
würden die neue Vertheilung einfach als einen Raub betrachten.
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