Full text: Zweiter Band (2. Band)

568 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
können wir den finanziellen Zustand der Versicherungsanstalten, 
wie er jetzt ist, nicht bestehen lassen, und ich kann heute schon sagen, 
würde der von uns vorzuschlagende Vertheilungsmaßstab nicht die 
Billigung des Reichstages finden, oder würde auch aus der Mitte 
des Hohen Hauses kein gangbarer Vorschlag gemacht werden, der 
in anderer Weise die jetzige Vertheilung der Lasten regelt, so 
würden wir in Preußen gezwungen sein, auf administrativen 
Wegen die Frage zu regeln.“ Graf von Posadowsky schloß 
seine Rede mit den Worten: „Also, ich bestreite, daß die Verbün— 
deten Regierungen die Absicht haben, einen Stillstand in der posi⸗ 
tiven Förderung des Wohles der arbeitenden Klassen eintreten zu 
lassen; sie werden aber vorsichtig sein, in allen den Anordnungen, 
für die eine genügende staatliche Kontrolle nicht zu schaffen ist, und 
die die Gefahr in sich bergen, daß das friedliche Verhältniß zwischen 
Arbeitgeber und Arbeitnehmer gestört wird. Wir können nicht 
dahin kommen, meine Herren, daß schließlich jeder Gewerbetreibende 
sich Abends mit dem Polizisten zu Bette legen müsse und Morgens 
mit dem Polizisten wieder aufstände.“ (Bravo rechts ) 
Diese Aeußerung des Staatssekretärs des Innern war von 
dem Centralverbande mit Befriedigung aufgenommen worden. Es 
muß in Rücksicht gezogen werden, daß die Gesetzgebung auf dem 
Gebiete des Gewerbebetriebes und des Schutzes der Arbeiter, die 
hier in einem besonderen Abschnitt für sich behandelt werden soll, 
den Centralverband, neben den Mbeiten für die Arbeiterversicherung, 
nicht weniger ernst als für diese beschäftigt hatte. Die weitgehenden 
Forderungen der Sozialisten und Sozialdemokraten auf diesen 
Gebieten, wie die anscheinende Gefügigkeit der Regierung diesen 
gegenüber, hatten in der Industrie manche schweren Bedenken 
hervorgerufen. 
Die Aeußerung des Grafen von Posadowsky schien 
die in den Kreisen des Centralverbandes seit einiger Zeit ver⸗ 
breitete Ansicht zu bestätigen, daß in der Ueberzeugung des 
leitenden Staatsmannes sich eine gewisse Wandlung vollziehe. 
Man nahm an, daß die Geneigtheit Boden gewinne bei der 
Fortführung der sozialpolitischen Aufgaben, die Interessen der ver— 
schiedenen im Wirthschaftsleben wirkenden Faktoren in Zukunft 
gleichmäßiger und gerechter gegen einander abzuwägen, derart, 
daß nicht nur die Interessen eines Standes, sondern die Gesammt— 
interessen als maßgebend anerkannt werden sollten. Die Hoffnung,
	        
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