746 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
„Nach den Erfahrungen, die man bei der vorausgegangenen
Revision des Invalidenversicherungsgesetzes und soeben erst bei der
des Unfallversicherungsgesetzes gemacht hat, kann sich Niemand
mehr wundern, wenn der Standard des Vertrauens für die bevor—
stehende Revision der Krankenversicherung kein hoher ist. In den
beiden hinter uns liegenden Fällen ließ sich trotz mancherlei Bedenken
über die Absichten reden, von denen der ursprüngliche Regierungs—
entwurf geleitet wurde. Es war keineswegs alles gut, was er
vorschlug, manches sogar recht bedenklich, immerhin jedoch das Be—
streben erkennbar, allgemein anerkannten Mängeln abzuhelfen und
eine gerechte Vertheilung von Lasten und Pflichten aufrecht zu er—
halten resp. herzustellen. Das kann jedoch, wie gesagt, nur vom
ersten Entwurf gelten. Im Reichstage wurde dieser dergestalt ver—
schlimmert, daß, besonders für die Unfallversicherung, ein Gesetz zu
stande gekommen ist, welches den schärfsten Protest herausfordert,
weil eben die Reichsregierung vor den Sozialeiferern des Reichs—
tages die Waffen streckte.“
„Wenn man es erlebt hat, daß der bekanntlich vergeblich
gebliebene Protest der gesammten Berufsgenossenschaften von offi—
ziöser Seite als unwesentlich erklärt werden konnte, weil der
Generaldirektor der Schultheißbrauerei Roesicke als sozialpolitische
Autorität für Unfallversicherungssachen bei der Regierung gilt, und
dieser Herr anderer Ansicht als die Berufsgenossenschaften ist, dann
hört eben so zu sagen alles auf, und Niemand kann erwarten, daß
im Erwerbsleben Vertrauen für weitere sozialpolitische Absichten
der Reichsregierung bestehen sollte, daß also die Absicht einer
Revision der Krankenversicherung mit Zutrauen aufgenommen
werden könnte.“
„Regierungsseitig scheint mit diesem Sachverhalt gerechnet zu
sein, denn statt das Revisionsprogramm der Oeffentlichkeit zu
unterbreiten, zog man vor, es in „vertraulichen“ Erlassen den
Landräthen, Magistraten, Polizeidirektionen u. s. w. bekannt zu
geben und deren Ansicht zu erforschen. In einigen Bezirken
haben allerdings die befragten Behörden sich an die Kranken—
kassenvorstände gewandt, natürlich ebenfalls „vertraulich“, und so
war es kaum noch ein Bruch des Amtsgeheimnisses, als der
„Vorwärts“ den bezüglichen Erlaß des Regierungspräsidenten von
Potsdam der Oeffentlichkeit preisgab. Jedenfalls hätte die Re—
gierung bessere Stimmung für ihre gesetzgeberischen Absichten ge—