2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 755
Molkenbuhr, der Redner der Sozialdemokraten, erkannte
zwar die in der Ausdehnung der Krankenfürsorge auf sechsund—
zwanzig Wochen liegende Verbesserung an, meinte aber, kein Mensch
werde glauben, daß dazu eine so lange Vorbereitung erforderlich
gewesen sei. Seine Partei erachte die gesammelten Erfahrungen
für ausreichend um höhere Ziele ins Auge zu fassen, um gewisser—
n maßen die Krankenversicherung als eine Organisation zur Hebung
der Volksgesundheit durchzuführen. Sobald man das aber wolle,
r sei es selbstverständlich, daß die Fürsorge zunächst auf alle Arbeiter
und die diesen wirthschaftlich gleichgestellten Personen ausgedehnt
werde und daß die Leistungen auch dem Zwecke entsprächen, den
Kranken zu heilen und die Familie nicht im Elend versinken zu lassen.
Mit dem Ideal des Staatssekretärs, der Verschmelzung der ganzen
Arbeiterversicherung, sei die Sozialdemokratie einverstanden. Dieser
Idealzustand sollte jetzt eingeleitet werden. Dazu wäre aber min—
destens nöthig, daß man den Kreis der Versicherten überall gleich
ziehe und daß das Krankenversicherungsgesetz mindestens auf die
sämtlichen der Invalidenversicherung unterworfenen Arbeiter aus—
gedehnt werde. Molkenbuhr verlangte die Beseitigung aller
anderen Kassen zu Gunsten der Ortskrankenkasse, und die gesetzliche
Ermächtigung für diese, sich in große Verbände zusammenzuschließen.
Deshalb hielt er es für dringend erforderlich eine erweiterte Reform
vorzunehmen und bis dahin alle die kleinen Fragen, welche in die
Organisation eingriffen, vorläufig ruhig zu vertagen. Gegen den
Versuch der Regierung, die Herrschaft der Sozialdemokratie über
die Krankenkassen wenigstens einigermaßen einzuschränken, wandte
sich der Redner der Sozialdemokratie mit großer Schärfe. Er
bezeichnete dies als Versuch, die Arbeiter zu entrechten.
Die Redner der anderen Parteien bezeugten das Streben, den
Gesetzentwurf mindestens soweit es sich um die Zugeständnisse an
die Versicherten handle, um jeden Preis vor dem nahe bevor—
stehenden Schlusse des Reichstages fertigzustellen, wenn es sein
müsse auch unter Verzicht auf die weiteren Bestimmungen.
Nur der nationalliberale Abgeordnete Hofmann-Dillenburg
äußerte Bedenken wegen der späteren Möglichkeit einer durchgreifen—
den Aenderung der Organisation und Verwaltung der Kranken—
kassen, wenn jetzt die dringendsten, im Interesse der Versicherten
liegenden Forderungen allein erfüllt würden. Er verwies auf den
hier bereits behandelten Versuch des Abgeordneten Rösicke, bei der
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