Full text: Zweiter Band (2. Band)

764 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
als auch die Industriellen derjenigen Berufsgenossenschaften, in denen 
die Umlagebeiträge nach Maßgabe der anrechnungsfähigen Löhne 
und nicht nach den effektiv gezahlten Löhnen berechnet würden. 
Der Referent Dr. Tille glaubte, daß die Verhältnisse doch 
etwas anders lägen, als sie von dem Vorredner aufgefaßt seien. 
Nach dem Gesetzentwurf handle es sich nämlich nicht darum, daß 
der ortsübliche Tagelohn in Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und 
Arbeitspflichtigen festgestellt werden solle, sondern der ortsübliche Tage— 
lohn gewöhnlicher Tagarbeiter solle, nach Anhörung der Gemeinde— 
behörde und von Vertretern der betheiligten Arbeitgeber und Ver— 
sicherungspflichtigen, denen damit Gelegenheit gegeben werden solle, 
sich zur Sache zu äußern, von der höheren Verwaltungsbehörde fest— 
gesetzt werde. Das sei etwas ganz Anderes. Der ortsübliche Tage— 
lohn werde ganz ebenso, wie bisher, von der Verwaltungsbehörde 
festgesetzt werden, aber diese habe die Verpflichtung die Arbeitgeber 
und Arbeiter zu hören. Wie dies zu geschehen habe, sei nach der 
Begründung der Vorlage dem Belieben der Behörde überlassen. Sie 
könne entweder die Gemeindevertretung veranlassen die Arbeitgeber 
und Arbeitnehmer zu hören, oder sie könne die Betheiligten selbst 
vernehmen. Er vermöge in diesem Punkte eine Quelle des Streites 
und eine Gefahr nicht erblicken. 
Interessant sei diese Sache freilich in anderer Beziehung. Sie 
sei wieder ein Stück von dem prinzipiellen Sozialmoralismus, der 
durchaus eine Gleichstellung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 
herstellen wolle, die es in Wirklichkeit nicht gäbe. Sie sei ein Theil 
von dem Versuche, in allen wirthschaftlichen Fragen ein Stück fran— 
zösischer Menschenrechte, ein Stück Moralismus hineinzutragen. In 
dieser Hinsicht sei die Bestimmung außerordentlich interessant, und 
dies umsomehr, als ja bekanntlich der Minister der öffentlichen Arbeiten 
neulich für die Eisenbahnbetriebe eine solche Gleichberechtigung rund— 
weg abgelehnt habe, indem er es zurückwies, daß irgend eine Eisen— 
bahnbehörde mit Eisenbahnarbeitern unter einem unparteiischen Vor— 
sitzenden verhandeln könne. Zu bedauern sei nur, daß das, was die 
Eisenbahnverwaltung in ihrem eigenen Arbeitsbeiriebe für unmöglich 
halte, der Industrie als das Normale zugemuthet werde. Das sei 
aufs tiefste zu bedauern. 
Syndikus Dr. Brandt habe vollständig recht mit der An— 
führung anderer Punkte einer erheblichen Belastung. Nur liege 
die Belastung zu zwei Drittel auf Seiten der Arbeiter und zu
	        
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