Full text: Dritter Band (3. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 223 
Diese Arbeiterschutzkonferenz hatte in internationaler Beziehung 
praktische Ergebnisse nicht gehabt. Den Beweis dafür liefert 
Belgien. Die Politiker dieses Landes haben es bis vor kurzem 
noch nicht für erforderlich gehalten, für irgend eine Klasse von 
Arbeitern schützende Maßregeln gesetzlich festzustellen. Auch die 
andern betheiligten Länder änderten ihre Arbeiterschutzgesetz-— 
gebung nicht. Diese ging in der Schweiz zwar weiter als in 
Deutschland, wurde aber dort nicht durchgeführt. England war in 
seinen schützenden Gesetzen für Arbeiterinnen Deutschland voraus, 
gestattete aber die Beschäftigung von Kindern bereits vom 
10. Lebensjahre ab. England erblickte in den Ergebnissen der 
internationalen Konferenz keinen Anlaß, seine betreffende Gesetz— 
gebung zu ändern. Frankreich war in seiner Arbeiterschutzgesetz— 
gebung, besonders infolge eines umfassenden Systems von 
Ausnahmen, hinter Deutschland zurückgeblieben. Erst viel später 
setzte dort eine Bewegung wesentlich für die Feststellung eines 
Normalarbeitstages ein, die zu Erfolgen auf dem Gebiete der 
betreffenden Gesetzgebung führte. Nur in Deutschland waren 
die Verbündeten Regierungen sofort bereit, zum mindesten 
auf gewissen Gebieten die Beschlüsse der internationalen 
Arbeiterschutzkoönferenz durch Gesetz in die Praxis über— 
zuführen. 
Die 5. Session der VII. Legislatur-Periode des Reichstages 
war am 25. Januar 1890 geschlossen worden. Seine letzte That 
war die Ablehnung des Gesetzentwurfes, betreffend die Abänderung 
des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial— 
demokratie vom 21. Oktober 1878, gewesen. 
Die 1. Session der VIII. Legislatur-Periode wurde am 6. Mai 
1890 von dem Kaiser eröffnet. In der Thronrede nahmen die auf 
die Sozialpolitik bezüglichen Sätze einen breiten Raum ein.*) 
Als dringlichste der dem neuen Reichstag gestellten Aufgaben 
bezeichnete der Kaiser den weiteren Ausbau der Arbeiterschutzgesetz— 
gebung. Die Ausstandsbewegungen des letzten Jahres hätten zur 
Prüfung der Frage geführt, ob die Gesetzgebung den berechtigten 
und erfüllbaren Wünschen der Arbeiter, bezüglich der Sonntagsruhe 
*) Sten. Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 
VIII. Legisl.-Periode, 1. Session 1890/91, 1. Band, S. 1.
	        
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