352 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
Erörterung gezogen. In seiner Antwort erklärte der Minister, auf
diese Punkte nicht eingehen zu wollen. Er gestand dem Antrag—
steller aber vollkommen zu, daß er mit seiner Anfrage den Finger
in eine der schlimmsten Wunden des Wirthschaftslebens gelegt habe.
Die Verbündeten Regierungen seien nicht unthätig gewesen, wenn
er auch nicht sagen könne, daß sie auf diesem Gebiete eine bestimmte
Absicht, die sich gesetzgeberisch schon konzentrirt hätte, verfolgen
oder eine solche Absicht ausgesprochen haben. Es seien jedoch durch
die Aenderungen der Gewerbeordnung vom Jahre 1891 die vor—
handenen Uebelstände theils beseitigt, theils wesentlich eingeschränkt
worden. Einige der damals getroffenen Bestimmungen seien jedoch
bei der Durchführung mit Rücksicht auf die Eigenthümlichkeit gerade
der Konfektions- und Wäsche-Industrie auf Schwierigkeiten gestoßen.
Diese beständen in der Verschiedenheit der Geschäftsbetriebe. In
den geschlossenen Fabriken ständen die Arbeiterinnen unter dem
vollen Schutze der Bestimmungen der Gewerbeordnung. In ge—
ringerem Maße sei das der Fall, wo die Arbeiterinnen in den
Werkstätten der Zwischenmeister beschäftigt würden. Die mit den
größten Uebelständen verbundene schlimmste Form des Geschäfts—
betriebes sei die, wo die Thätigkeit der Arbeiterinnen bei der Ver—
mittelung durch den Zwischenmeister sich als reine Heimarbeit dar—
stelle. Da entzögen sich die Thätigkeit der Arbeiterinnen und die
Bedingungen, unter denen sie sich vollziehe, der Aufsicht gänzlich.
Die größte Schwierigkeit bezüglich einer Besserung der höchst
traurigen Lohnverhältnisse bestehe darin, daß gerade in diesem
Erwerbszweige ein außerordentlich großer Andrang von Arbeits—
kräften bestehe, insbesondere auch von solchen, von denen die Arbeit
auf diesem Gebiete lediglich als Nebenbeschäftigung betrieben werde.
Der Verdienst durch solche Nebenbeschäftigung werde nicht nur von
den Frauen und Töchtern der unteren Stände gesucht, sondern das
Streben nach ihm gehe bis in die höchsten Stände. Diesem Wett—
bewerbe der nicht ausschließlich auf den Verdienst Angewiesenen
gegenüber falle es außerordentlich schwer einen menschenwürdigen
Lohn durchzusetzen. Der Minister sagte, mit Hinweis auf den
gerade zu jener Zeit noch fortdauernden Ausstand der Arbeiterinnen
in der Konfektions- und Wäsche-Industrie, ein näheres Eingehen der
Regierung auf alle diese Fragen mit Hilfe der Kommission für
Arbeiterstatistik zu. Als die dabei ins Auge zu fassenden Punkte
bezeichnete er das Trucksystem, die Ausbeutung des Abhängigkeits—