Full text: Dritter Band (3. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 353 
verhältnisses der Arbeiterinnen zu unsittlichen Zwecken, die Arbeits— 
zeit in den Werkstätten und bei der Heimarbeit. Ob es möglich 
sein werde die jetzige Produktionsweise in den Werkstätten der 
Meister und bei der Heimarbeit durch die zwangsweise Einführung 
geschlossener Fabrikbetriebe zu ersetzen, bezweifelte der Minister. Er 
schloß mit der für sämmtliche Verbündeten Regierungen abgegebenen 
Versicherung, daß sie eifrig bemüht sein würden an der Hebung 
der schweren Mißstände, die auf diesem Gebiete vorlägen, mit— 
zuwirken. Er gab ferner der Ueberzeugung Ausdruck, daß die volle 
Beseitigung dieser Mißstände nur dann zu erhoffen sei, wenn auch 
der Arbeitgeber sich der Pflicht bewußt werde, die er dem Mbeit— 
nehmer gegenüber zu erfüllen habe. Nur bei einer Mitwirkung 
aller derjenigen Personen, die Arbeiter in diesen Branchen be— 
schäftigten, ließe sich die Herstellung menschenwürdiger Zustände 
erhoffen. Hieran schloß sich eine Erörterung über die Anfrage, 
durch welche die ganze Sitzung ausgefüllt wurde. Ein Beschluß 
konnte nach der Geschäftsordnung an die Anfrage nicht geknüpft 
werden. 
Auf ihre im Januar 1895 eingebrachte, jedoch unerledigte Vor— 
lage zurückkommend, hatte die Regierung unter dem 14. Januar 1896 
einen neuen Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung der Gewerbe— 
ordnung eingebracht.“) 
Der Entwurf bezweckte wesentlich die Einengung des Hausir— 
gewerbes, ging aber nicht soweit, wie es die Vertreter einer rück— 
läufigen Gewerbe- und Sozialpolitik im Reichstage verlangt hatten. 
Die Ergebnisse der Statistik hatten inzwischen erwiesen, daß das 
stehende Gewerbe durch den Hausirhandel keineswegs in der von 
jenen behaupteten Weise eingeengt und geschädigt werde. Die erste 
Berathung des Entwurfes fand in der 36. und 37. Sitzung des 
Reichstages am 10. und 11. Februar 1896 statt.“**) 
Der Antrag auf Ueberweisung an eine Kommission wurde 
abgelehnt. Die zweite***) und dritte) Berathung waren infolge 
der gestellten zahlreichen Anträge sehr umfangreich gewesen. Die dritte 
Berathung wurde erst am 12. Juli beendet. Wegen des Wider— 
*) Sten. Berichlte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 
LR. Legisl.Periode, 4. Session 1895/97, 1. Anlageband, Nr. 85, S. 423. 
**) Ebendaselbst, 2. Band, S. 849 und 893. 
***) Ebendaselbst, S. 1255, 1279, 1305, 1329 und 1361. 
) Ebendaselbft, 4. Band, S. 2471, 2483, 2605, 2527 und 2663. 
III, 28
	        
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